Bush im neuen Gewand

von Doris Auerbach

Bei der Debatte im britischen Unterhaus am 26.2. argwhnte der ehemalige Schatzkanzler Kenneth Clarke, dass der Krieg gegen den Irak schon vor vielen Monaten in Washington beschlossen worden sei. Das sei der Hauptgrund fr das Misstrauen der englischen Bevlkerung. Damit hat er den Nagel fast auf den Kopf getroffen. In Wahrheit stand dieser Krieg bereits beim letzten Treffen der Bilderberger in den USA in Chantilly, Virginia, vom 30.5.2.6.02, auf der Tagesordnung und bildete, wie James P. Tucker von der Liberty Lobby schreibt, einer der Hauptthemen. Der dort anwesende US-Verteidigungsminister Rumsfeld drfte den versammelten Spitzen aus Wirtschaft, Banken und Politik die Planung und Frderung des Militrschlags genauestens skizziert haben, so dass davon auszugehen ist, dass Teilnehmer wie Bundesrat Couchepin und Daniel Vasella (Novartis) ebenfalls schon frhzeitig ber Washingtons Kriegsabsichten informiert waren.* Wie stets war die Presse hinsichtlich dieser Zusammenkunft die personifizierte Verschwiegenheit und enthielt sich jeglicher Mitteilung ber die demokratisch nicht legitimierte Runde, die seit Jahren unerkannt hinter den Kulissen einen massiven Einfluss auf smtliche Strategien ausbt. Die Ankndigung eines Militrschlags gegen den Irak setzte anschliessend in den Tageszeitungen gezielt und offen ein, ganz im Gegensatz zur absoluten Geheimhaltung der eigentlichen Planer. Von diesem Krieg, so hiess es, erhoffe man sich immense Profite, was ein Blick auf die US-Rstungsindustrie besttigt. Fnde der Angriff auf den Irak in der Tat statt, so kme er einem Eroberungskrieg primitivster Art gleich, da er ein durch das jahrelange UNO-Embargo in unverantwortlicher Weise geschwchtes Land trifft, das inzwischen nicht nur vllig ausspioniert, sondern dessen Verteidigungspotential sozusagen gezielt auf Null reduziert worden ist.

Nach den haltlosen Drohungen, die Bush seit dem 11.9. in ununterbrochener Folge ausstiess, stellt seine Rede vom 27.2. eine rechte Kehrtwendung dar, der man dennoch kein Krnchen an Wahrheit zubilligen kann. Bushs neues Gewand ist das Mntelchen der Demokratie, die die USA im Irak zu errichten gedchten. Man muss sich einmal das Ausmass an Naivitt Bushs und seiner Berater vorstellen, die davon ausgehen, dass sich Europer und Asiaten in derselben Weise tuschen lassen wie ein grosser Teil der US-Bevlkerung. Bushs neue Vision, der zufolge der Nahe Osten mit westlicher Hilfe zu Frieden und Freiheit finden knne, lsst sich bestenfalls als Verdummung abtun. Dafr htte lngst genug Zeit bestanden. Vllig absurd ist seine Aussage, dass ein Krieg gegen den Irak auch fr die Palstinenser gut sein knne. Dazu der Kommentar eines jordanischen Professors: Israel wird die Gelegenheit nutzen und die palstinensische Fhrungsschicht nach Jordanien ausweisen, 10000 oder 20000 Personen. Scheich Subhi Mughribi aus Maan im Sden Jordaniens drckt es sarkastischer aus: Wir alle wnschten, wir wren Nordkoreaner, brummt der prominente Islamist, der in einer Freitagspredigt auch schon fr die Beschaffung von Atombomben eingetreten ist, als einzig probatem Mittel des Widerstandes gegen die USA. Bushs Friedensschalmei entlarvt sich selbst, da er sich im gleichen Atemzug weigert, Palstina hinsichtlich eines eigenen Staates konkrete Zusagen zu machen. Als hochgradig unwahrscheinlich ist auch seine Aussage einzustufen, die USA wrden im Irak nur so lange wie ntig bleiben. Das kann, wenn man das derzeitige Bestreben der USA, sich berall einzunisten, als Massstab nimmt, lnger sein als es den Kurden, der Trkei oder Jordanien je lieb sein knnte. Zog sich doch auch die US-Marine ein Jahr nach Beendigung des Krieges zwischen dem Irak und dem Iran keineswegs aus dem Golf zurck. Der saudische Aussenminister Saud al-Feisal hat auf Bushs Rede bereits erklrt, die Vorstellung, das irakische Volk wrde eine Fremdherrschaft akzeptieren, sei eine Illusion.

Die geplante Verwaltung eines eroberten Iraks durch einen US-Militrgeneral verheisst nichts Gutes und schon gar keine Demokratie. Wo wren auch die USA je bestrebt gewesen, eine solche in den mit ihnen verbndeten Lndern einzurichten? Der Internationale Whrungsfonds und die USA arbeiten doch immer noch gleich eng mit der Militrdiktatur Pakistan zusammen und seit jeher mit der Trkei, die bislang auch nicht den Hauch einer Demokratie vorzuweisen hatte. Saudi-Arabien, der verlsslichste US-Partner, stellt neben dem Iran die grausamste arabische Diktatur dar. Zu einer Groteske artet ferner Bushs Behauptung aus, dass es bei der Fhrungsrolle der USA um eine moralische Pflicht ginge. Die Amerikaner htten in der Vergangenheit grosse Prfungen bestanden und wrden auch die gegenwrtige bestehen. Er vergisst, dass Washington diese Prfungen, die in rund 250 seit 1945 gefhrten Angriffskriegen bestehen, der US-Bevlkerung vllig ungebeten auferlegt hat und sie somit alle hausgemacht waren. Die pltzlich beanspruchte Rolle des Friedensstifters haben die USA endgltig verspielt. Eine wirkliche Moral lsst sich in ihrer Aussenpolitik nirgendwo erkennen. So haben China und Russland Bush jetzt vorgeworfen, die politisch positive Entwicklung auf der Halbinsel Korea seit seinem Amtsantritt in die umgekehrte Richtung gelenkt zu haben. Fernab jeglicher Moral und jeglichen Friedens sind die Militrsttzpunkte, die die USA neuerdings berall errichten. Bei einer nheren Betrachtung derselben kommt man nicht darum herum, festzustellen, dass ihr Gtesiegel wiederum Korruption und Menschenrechtsverletzungen einschliesst. Auch bei der Kostenrechnung bezglich eines Krieges, ist keinerlei Moral im Spiel. Die vom Pentagon grob geschtzten Kriegskosten bewegen sich zwischen 60 und 95 Mrd. Dollar. Die Trkei hat als Gegenleistung fr ihren von den USA erbetenen Beistand acht Mrd. Dollar nebst 20 Mrd. Dollar an Kreditgarantien geltend gemacht. Israel hat in Washington um Militrhilfe in Hhe von vier Mrd. Dollar nachgesucht. Die Restrukturierungskosten schtzt das Time Magazine vom Februar 2003 auf 30 Mrd. Dollar. Und was bietet Washington an humanitrer Hilfe? Ganze lumpige 100 Mio. Dollar und keinerlei Zusagen fr eine Beteiligung an den Wiederaufbaukosten. Die Arroganz dieser Hegemonialmacht wird von den US-Vasallen erneut verlangen, diese Kosten zu bernehmen. Und es ist absehbar, dass unsere willfhrigen und schwachen Regierungen diesem Befehl nachkommen werden. Alles nach der Devise, je hher verschuldet, desto besser manipulierbar.

Wie demokratisch die Absichten der USA wirklich aussehen, lsst sich an Hand des jngsten Beispiels belegen. In Kabul ist wiederum ein reiner Handlanger der USA installiert, Premierminister Karzai. Es wird angenommen, dass General Massud, der Fhrer der Nordallianz Afghanistans, im Auftrag des CIA vom pakistanischen Geheimdienst ISI ermordet wurde. Massud wre nicht nur zu schnell nach Kabul vorgestossen, sondern htte womglich den Ansatz einer Demokratie im Sinn gehabt, zwei Punkte, die den Absichten der USA diametral entgegenstanden. Allerdings liessen die USA die beiden als Schlchter bekannten Stammesfhrer Dostam und Hektmatyar unbehelligt, was der von den USA vorgetragenen Absicht, einer Demokratie den Weg zu ebnen, geradezu Hohn spricht. Sollten die USA gegen den weltweiten Widerstand nicht davon ablassen, Bagdad anzugreifen, dann drfte sich die Kriegsfront in Afghanistan auf allen Seiten beleben. Kein Wunder, dass Karzai bereits an die Hilfsbereitschaft der USA appelliert hat.

Was die von den USA geltend gemachten Sicherheitsinteressen betrifft, so kann man auch hier nur mde abwinken. Der Irak, ehemals gehtschelter Verbndeter der angloamerikanischen lmacht, stellt sptestens seit dem Golfkrieg keine Gefahr mehr fr die USA dar, geschweige denn, dass er irgendeiner Nation den Krieg erklrt htte. Es wird zu wenig beleuchtet, dass Saddam Hussein in dem Moment in Ungnade fiel, als er sich nach Beendigung des Krieges gegen den Iran weigerte, seine lfelder zu privatisieren und damit bekundete, dass er nicht gewillt war, diese in die Hnde der USA und Grossbritanniens zu legen oder sich der Kontrolle durch diese beiden Mchte zu unterwerfen. Er hatte zudem frh erkannt, dass sich die Araber mit Japan, Russland und Europa verbnden sollten, um den Einfluss der USA in der Region zurckzudrngen, was er in seiner Rede vor dem Arabischen Kooperationsrat in Amman im Frhjahr 1990 ffentlich vortrug. Er forderte die lreichen arabischen Staaten auf, sich zusammenzutun, ihre konkurrenzlosen Energiequellen zu nutzen und die Beziehungen zu Europa, Japan und der Sowjetunion auf eine Weise auszubauen, die ihnen so schnell wie mglich Vorteile brchte. Damit war sein Niedergang vorprogrammiert. Die hierzu erforderliche Falle wurde ihm gestellt, als er die ehemals zum Irak gehrende Provinz Kuwait seinem Land wieder einverleiben wollte. Dazu erhielt er von Bush senior, sozusagen grnes Licht und fr Washington war damit der gesuchte Grund fr den Golfkrieg 1991 gefunden.

Im Moment, so scheint es, hat das Etikett Terror ein wenig ausgedient und ist, wie gesagt, durch das angebliche Ziel, die islamischen Staaten zu demokratisieren, ersetzt worden. In Wahrheit aber geht es wie eh und je um die angestrebte Kontrolle der Erdl und Erdgas frdernden Lnder Zentralasiens durch die USA. Insofern wird Bushs pltzlicher Appell an die freiheitlichen Werte keinerlei Echo auslsen. Solche hat die USA weder in Mittel- oder Sdamerika noch im asiatischen Raum je respektiert. Wie verlogen Washington vorgeht, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass sich der stellvertretende Verteidigungsminister Wolfowitz bei seiner Werbung um Untersttzung fr einen mglichen Militrschlag im Juni letzten Jahres in Ankara nicht entbldet hat, die Trkei vor Reportern als einzige Demokratie in der Region und treuen strategischen Partner der USA zu loben.

Die Behauptungen und Unterstellungen fr einen Angriff auf das Regime Husseins, sind derart haltlos, dass sie allein schon der Glaubwrdigkeit Washingtons den totalen Absturz bereiten. Man schreckt nicht einmal davor zurck, Bagdads Verbindungen zur al-Qaida ohne Beweise ins Feld zu fhren. Im Zuge dieser Verleumdungen hat es sich eingebrgert, Saddam Hussein jede Art von Terror gegen seine Bevlkerung anzulasten, der indessen in vielen mit den USA verbndeten Staaten oder in solchen, mit denen die USA Handelsbeziehungen pflegt, gang und gbe ist. Die Gefahr eines neu ausbrechenden Terrors sieht der ehemalige britische Landwirtschaftsminister Douglas Home gerade in einem Militrschlag gegen den Irak. Fr ihn ist ein Krieg gegen Hussein die falsche Option und er befrchtet, dass ein solcher den Aufruhr im Nahen Osten frdert und das Risiko einer jahrelangen Verwicklung Englands im Irak in sich birgt. Damit drfte er der Wirklichkeit sehr nahekommen. Die verarmten Massen gyptens, dem drittgrssten Militrhilfeempfnger der USA und diejenigen Pakistans haben nicht viel zu verlieren. Saddam Hussein werden ferner ohne Unterlass Ausflchte und Tuschungsmanver angelastet. Vllig unbercksichtigt bleiben jedoch die Lgen der Regierung in Washington im Zusammenhang mit dem 11.9., auf Grund derer sich die USA berechtigt sahen, dem von ihnen mitaufgebauten Talibanregime und Afghanistan selbst ein Inferno ungeahnten Ausmasses zu bereiten.

Wie fern Bush jeder Ehrlichkeit ist, lsst sich daran erkennen, dass er Japan und Deutschland als Beispiele nannte, denen man ebenfalls die Fhigkeit zur Demokratie abgesprochen habe. Man stellt sich unwillkrlich die Frage, wie weit die Verblendung seiner Umgebung gehen muss, um derartige, als infantil einzustufende usserungen vorzubringen. Unsere Demokratien sind zwar in hohem Masse nur noch als Scheindemokratien zu betrachten, sie lassen uns aber immerhin noch die Freiheit, einen Kriegstreiber wie Bush ffentlich als einen solchen zu bezeichnen.


Fussnote

* http://www.bilderberg.org/2002.htm