In Russland ticken die Uhren anders
Die Londoner Times machte sich Gedanken ber Chodorkowskijs Verhaftung: Er erwarb krzlich verschiedene Zeitungen. Und es wird ihm nachgesagt, er habe politische Ambitionen, mglicherweise wolle er gar fr die Prsidentschaft im Jahr 2008 kandidieren, wenn Putin zurcktreten muss.
Das US Wall Street Journal forderte sogar zum Widerstand gegen Putin auf: Russlands Wirtschaftsfhrer und die Handvoll reformfreudiger Politiker, die sich bisher mit dem Versuch begngten, im Schatten Einfluss auszuben, mssen jetzt in den Vordergrund treten und fr eine neue liberale Ordnung kmpfen. Zwei der wichtigsten Tageszeitungen haben damit Stellung bezogen, beide fr den Oligarchen Chodorkowskij, aber gegen Putin. Das hindert niemand von uns daran, sich seine eigenen Gedanken zu machen.
Leo Kirch, vor kurzem noch deutscher Medienmogul, hat zuletzt u. a. mit dem Versuch auf sich aufmerksam gemacht, einen Zeitungsredakteur zu feuern, weil dieser ein Verfassungsgerichtsurteil guthiess, das Kruzifixe in ffentlichen Schulen als unzulssig bezeichnet hat.
Nach dem Zusammenbruch seines Medienkonzerns fordert Kirch jetzt von der Deutschen Bank Schadenersatz in Milliardenhhe. Der Chef des Finanzinstituts, Rolf Breuer, soll sich negativ ber die Finanzlage der Kirch-Gruppe geussert haben. Nachdem das Oberlandesgericht Mnchen Ende November 2003 Kirch Schadenersatz zugesprochen hatte, geht er nun in die nchste Runde. Einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus zufolge fordert er sechs Milliarden Euro.1 Wie kommt es dazu?
Kirch vermutet eine Verschwrung der Deutschen Bank bzw. ihres damaligen Vorstandssprechers Rolf Breuer und des US-Konzerns Liberty Media. Inhaber des letzteren ist Milliardr John Malone. Er soll mittels eines Angriffs auf die Kirch-Media-Gruppe versucht haben, den deutschen TV-Kabelmarkt unter seine Kontrolle zu bringen. Malone ist mit 18% Beteiligung an Rupert Murdochs News Corporation gleichzeitig deren zweitgrsster Aktionr,2 und damit Mitinhaber des fnftgrssten Medienimperiums der Welt. Malone fllt besonders durch seine fragwrdigen Geschftsbernahmen auf.
Die US-Medienindustrie; Presseagenturen, Zeitungen, Zeitschriften, Bcher, Musik, Spielfilme, Radio, Television und TV-Kabelnetze, befindet sich in den Hnden von wenigen Dutzend Besitzern bzw. Eigentmerfamilien. Eine detaillierte Aufstellung gibt Conrad C. Stein in seinem Buch Die geheime Weltmacht, die wir in der Ausgabe Nr. 5-6/20033 zusammengefasst haben. Diese sind die Hersteller des weltweiten Medien-Konsenses und damit der ffentlichen Meinung. Sie bestimmen, was die Bevlkerung wissen darf. Andere Nachrichten werden unterdrckt oder abgeschwcht. Ihr Einfluss reicht bis in den hintersten Winkel der sich demokratisch nennenden Lnder. In seinem Buch Media Control schreibt der renommierte antizionistische, jdische Buchautor Noam Chomsky: Es waren ihnen so ziemlich alle Mittel recht, wie etwa die Greuelpropaganda, die den abfllig Hunnen genannten Deutschen das Zerstckeln belgischer Kinder und andere Grausamkeiten andichteten, die in manchen Geschichtsbchern immer noch zu lesen sind. (S. 29)
Den bankrott gegangenen Konzern verkaufte Kirch Anfang 2003, an den US-Medienmilliardr und Israeli Haim Saban, womit dieser in den Besitz des grssten deutschen Medienkonzerns gekommen ist. Vor der Firmenbernahme intervenierte US-Prsident George W. Bush persnlich bei der deutschen Regierung und verlieh seiner Erwartung Ausdruck, dass Haim Saban ohne grosse Umschweife den Zuschlag bekommen wrde: Die amerikanische Botschaft in Berlin hat beim Bundeskanzleramt und ber das Mnchner Generalkonsulat auch bei der bayrischen CSU-Regierung wegen des Verkaufs der Mediengruppe Kirch interveniert. Nach Informationen der Sddeutschen Zeitung fragte die US-Vertretung nach, warum nicht ernsthaft mit dem amerikanischen Medienmilliardr Haim Saban verhandelt werde. (Sddeutsche Zeitung, 16.01.03, S. 17)
Mit dem Eigentmerwechsel des grssten deutschen Medienkonzerns spielt sich im Kernland Europas der umgekehrte Weg wie in Russland ab: Prsident Wladimir Putin hat den antiglobalistischen Weg eingeschlagen und bringt die von Grossbetrgern ergaunerten Monopolkonzerne auf dem Energiesektor wieder unter staatliche Kontrolle. Damit hat sich Russland als einziges Land auf der Welt offen gegen den alles zerstrenden Globalismus gestellt. Das war nur mglich, weil Prsident Putin den Mut hatte, die in den Hnden von Wladimir Gussinski und Boris Beresowski konzentrierten antirussischen Hetzmedien zu konfiszieren und unter den Schutz rein russischer Interessen zu stellen. Gussinski durfte nach Spanien ausreisen. Nach der faktischen Ausweisung Gussinskis aus dem Lande, so schrieb Beresowski vor drei Jahren, sei mit NTW die einzige private Fernsehstation Russlands praktisch unter Staatskontrolle gestellt worden. Damit bleibe ORT [Beresowskis damalige TV-Station] der einzige, nicht vllig von der Macht abhngige nationale Fernsehkanal. (Die Welt, 5.9.2000, S. 6) Kurze Zeit darauf musste auch Beresowski Russland verlassen. Gussinskis Verhaftung fhrte in den USA und Israel zu heftigen Reaktionen, war er doch Vizeprsident des Jdischen Weltkongresses. Inzwischen sollen sich beide nach Israel abgesetzt haben. Dem verhafteten schwerreichen lmilliardr Michail Chodorkowskij, der sich ber den Zrcher Anwalt Peter Nobel in der Schweiz ein Finanzinstitut kaufen oder eine neue Bank grnden wollte4, steht dieselbe Reise vermutlich noch bevor.
In der SonntagsZeitung liest sich das so: Putin hatte schon immer seine eigenen Vorstellungen von demokratischen Freiheiten, die so wenig kompatibel sind mit seinen westlichen Partnern. [] die in der Verfassung festgeschriebene Gewaltenteilung gert zunehmend zur Makulatur. [] Fr viele seiner Landsleute ist Demokratie gleichbedeutend mit Ungesetzlichkeit, Raub und Diebstahl, seit die in den Neunzigerjahren im Zuge der Demokratisierung vorgenommene Privatisierung der Wirtschaft wenige sehr reich und viele arm gemacht hat. Putin beschneide die Medienfreiheit, indem er gegen die im Mediengeschft ttigen Oligarchen Beresowski und Gussinski vorgeht. (SZ, 2.11.03, S. 19)
Ach wie gut, dass wir in der Schweiz leben: Hier scheint es niemanden aufzufallen, dass das Bundesgericht mit seinem Verdikt Urnenabstimmungen ber Einbrgerungen sind unzulssig die verfassungsmssige Gewaltenteilung unterluft. Die Zerstrung unserer volkseigenen Post (Telefon und Telegraph) ist wegen des Dienstleistungsabbaus bei gleichzeitigen Preiserhhungen und Erschwernissen fr viele Mitbrger gleichbedeutend mit Raub und Diebstahl. Und schliesslich ist seit 1994 die Medienfreiheit aufgehoben und dissidente Schreiber werden ins Gefngnis geworfen. Fr was sonst haben wir denn das Antirassismusgesetz? Sicher, in Russland steht nicht alles zum Besten, doch Schreibverbote gibt es dort nicht und unbequeme Bcher drfen ffentlich angeboten und verkauft werden.
Fussnoten
1 www.netzeitung.de/wirtschaft/265333.html
2 Telepolis: Markus Albers im Gesprch mit Kurt Andersen ber die Zeit nach Leo Kirch, 6.5.2002.
3 5-6/2003, Die US-Medienfamilie, S. 8.
4 SonntagsZeitung, 2.11.2003, S. 1.