Der langsame Staatsstreich
Wie das alles bei uns so kommen konnte
(MD) Vor einiger Zeit ist mir eine gefllig dnne, aber beraus interessante Schrift von einem Hans-Ulrich Walder-Richli, datiert in Sempach 1998, zugegangen, deren Titel Der langsame Staatsstreich fr uns nicht bedeutsamer und aktueller sein knnte. Der Verfasser berichtet, bar jeden selbstgerechten professoralen Schwulstes eingangs, dass sich Staatsstreiche immer ber Nacht, innerhalb von Stunden, gewhnlich unter Beteiligung der Armee ereignen. Ich zitiere im folgenden zumeist aus der erwhnten Schrift, Ziffern habe ich aktualisiert:
Ein ganz anderer Staatsstreich unterscheidet sich fast in allen Merkmalen vom ersten Modell. Er findet whrend Jahren statt und die Armee ist daran nicht beteiligt. Es werden keine Gebude besetzt, es besteht keine irgendwelche Notwendigkeit, das Volk zur Ruhe zu mahnen. Es wird bloss eine neue Verfassung versprochen, bzw. eine Ergnzung zur bestehenden, obwohl aus dem Volk keine solche verlangt worden ist. Mit der neuen Verfassung, ber die sogar abgestimmt worden ist, ohne die wahren Hintergrnde auszuleuchten, ist bereits die Endstation des Staatsstreiches erreicht, ohne dass das gutglubige Volk die wahren Zielsetzungen erkannt hat, auch nicht erkennen durfte. Die Falschheit und die Hinterlist herrschten bei uns, und das schon lange. Die Geburtsstunde unseres Staatsstreiches liegt lange zurck. Seine Geburt fllt mit einem fast unscheinbaren Ereignis zusammen. Es kamen vor zirka 46 Jahren vier bestehende politische Parteien berein, sich als Bundesratsparteien zu organisieren, und zwar so, dass die siebenkpfige Landesregierung Bundesrat genannt immer nach einem bestimmten Schlssel Zauberformel genannt zusammenzusetzen sei. Danach erhielten die damals schon etwa drei gleich starken Parteien (Freisinnige, Katholisch Konservative, Sozialdemokraten) je zwei Sitze im regierenden Gremium, die etwas kleinere Partei, damals Bauern und Brgerpartei genannt, den verbleibenden siebten Sitz. So sind die Rollen ausgeteilt und alles wohl bestellt besagt ein Studentenlied. Damit haben sich alle vier Parteien ihren Anteil an der Staatsmacht gesichert. Seither haben elf Mal im ganzen Land aufwendige Veranstaltungen Nationalratswahlen genannt stattgefunden. Es haben daraus einmal die eine, einmal die andere der sogenannten Bundesratsparteien mehr Sitze aus den verfgbaren 200 im Parlament gewonnen. Neu auftauchende Gruppierungen und Parteien vermochten wohl eine Anzahl Sitze zu gewinnen, hatten aber nie die geringste Mglichkeit, an der zumeist schon vorgemachten Meinung der Grossen etwas zu ndern. Die vier beherrschen das Parlament, und es bestand und besteht aufgrund der Wahlergebnisse weder Notwendigkeit noch Lust an der Zuteilung der Regierungssitze etwas zu ndern. Die Zauberformel steht natrlich nicht in der Verfassung und auch in keinem Gesetz, denn sonst knnte dank einem besonderen Privileg Direkte Demokratie genannt das stimmberechtigte Volk etwas dazu sagen. Die Zauberformel ist offenbar nicht einmal ein schriftlicher Vertrag. Sie wird dennoch als Rechtsquelle man knnte sie Verfassungsgewohnheitsrecht nennen anerkannt.
Dort, wo man ein solches Regierungskollektiv Junta nennt, besteht dieses in der Regel aus Militrpersonen, die kurze oder lngere Zeit ohne Parlament zu regieren vermgen. In unserem Fall umfasst die ganze herrschende Schicht Bundesratsparteien genannt wegen der grossen Zahl ihrer Mitglieder gerade auch das Parlament. Parlament und Regierung zusammen bilden ein juntahnliches Gebilde, das, ohne irgendwelche Gewaltinstrumente einsetzen zu mssen, mchtiger und bestndiger ist als irgend eine Junta der Welt. Die auf diese Weise bestellte Regierung ist (leider!) nie davon bedroht, abgesetzt zu werden, nicht einmal nach Auftrmung eines Hundertmilliarden-Schuldenberges, an dessen Erstellung das Parlament tatkrftig mitgewirkt hat.
Die Machtstellung der Bundesratsparteien beruht auf einem merkwrdigen psychologischen Faktor: Alle glauben, es msse so sein. Schliesslich seien ja diese Parteien in der machtbringenden Zahl ins Parlament gewhlt worden. Bei jeder Wahl glaubt man nmlich, die Entscheidung fr eine der vier Parteien verhelfe dieser dazu, das von ihr angepriesene Programm zu verwirklichen, aber kein Programm ist aufgrund von eidgenssischen Wahlen zu verwirklichen. Am Fortgang der juntahnlichen Politik ndert das nichts.