Die Billiglohnkonkurrenz aus dem Osten

Von Heinrich Geissler, bis 1989 Generalsekretr der deutschen CDU.

Aus Die Zeit vom 11.11.2004

Die Angst geht um in Europa gepaart mit Wut, Abscheu und tiefem Misstrauen gegenber den politischen, konomischen und wissenschaftlichen Eliten, die hnlich den Verantwortlichen zur Zeit des bergangs vom Feudalismus zur Industriegesellschaft offensichtlich unfhig sind, die unausweichliche Globalisierung der konomie human zu gestalten.

Unter Berufung auf angebliche Gesetze des Marktes reden sie vielmehr einer anarchischen Wirtschaftsordnung, die ber Leichen geht, das Wort. [] Staatsmnner der westlichen Welt, die sich von den multinationalen Konzernen erpressen und gegeneinander ausspielen lassen. [] Gewerkschaften, die angesichts der Massenarbeitslosigkeit mit dem Rcken zur Wand stehen, fhlen sich Mchten ausgeliefert, die von Menschen beherrscht werden, deren Gier nach Geld ihre Gehirne zerfrisst. [] Die globalisierte konomie ist auch eine Welt, in der Kriminelle und Drogendealer frei und ungebunden arbeiten und Terroristen Teilhaber an einer gigantischen Finanzindustrie sind [] Wo bleibt der Aufschrei der SPD, der CSU, der Kirchen gegen ein Wirtschaftssystem, in dem grosse Konzerne gesunde kleinere Firmen wie Kadus im Sdschwarzwald mit Inventar und Maschinen aufkaufen, als wren es Sklavenschiffe aus dem 18. Jahrhundert, sie dann zum Zwecke der Marktbereinigung oder zur Steigerung der Kapitalrendite und des Brsenwertes dichtmachen und damit die wirtschaftliche Existenz von Tausenden mitsamt ihren Familien vernichten? [] Das Triumpfgeheul des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ber die Billiglohnkonkurrenz aus dem Osten noch in den Ohren, mssen [von dieser Konkurrenz] bedrohte Menschen sich vom politischen und konomischen Establishment als Neonazis beschimpfen lassen, wenn sie radikale Parteien whlen, weil es keine Opposition mehr gibt