Der Schweizer Presserat:
Ein wahrheitswidriger Vergleich*

Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 3. November 2000 zu einem Beitrag in der Wochenzeitung Zeit-Fragen Nr. 37/2000, in welcher der damalige Bundesrat Adolf Ogi ins Visier genommen wurde. Die verantwortliche Redaktionschefin wurde beschuldigt, gegen die Pflichten und Rechte der Journalisten verstossen zu haben. Zu diesen Pflichten gehrt die wahrheitsgemsse Berichterstattung, die auch die sarkastische berspitzung einschliesst, wovon auch die beklagte Zeitung Gebrauch gemacht hatte. Dass der Schweizer Presserat durch wahrheitswidrige Behauptungen gegen seine eigenen Satzungen verstossen hat, drfte der Redaktion Zeit-Fragen vermutlich nicht ganz klar geworden sein.

Anmerkung des Presserats unter Ziffer sieben seiner Urteilsbegrndung: Die Gleichsetzung Adolf Ogis mit einem Frontisten und mit einem Anschluss-Befrworter [Seyss-Inquart] ist eindeutig wahrheitswidrig. Denn die Frontisten waren direkte oder indirekte Parteignger Hitlers; viele von ihnen wurden zu Landesverrtern. Und Anschluss spielt auf die 1938 erfolgte Eingliederung sterreichs ins Dritte Reich an, die eine einzige Erpressung war.

Nehmen wir die vom Presserat genannte einzige Erpressung einmal unter die Lupe: Eine Folge der Diktate von Versailles und St. Germain war, dass die bereits 1918 und 1919 von der deutschen Nationalversammlung und Regierung beschlossene Vereinigung sterreichs mit dem Deutschen Reich verhindert wurde. Am 9.11. traf in Compigne die Nachricht von der Revolution im Deutschen Reich ein (siehe unten). Die Feinde standen, Gewehr bei Fuss, an allen Grenzen, bereit, sofort einzumarschieren. Die Waffenstillstandsbedingungen mit nach oben nicht limitierter Summe von Entschdigungen mussten daher ohne Verhandlungen angenommen werden, da bei Ablehnung mit sofortigem Einmarsch der Feindarmeen gerechnet werden musste. Wie jeder Jurastudent weiss, ist ein unter Druck unterschriebener Vertrag null und nichtig. Fr dieses Verhngnis mit allen seinen politischen Sptfolgen tragen die Linksparteien, die die Revolution vorbereitet und durchgefhrt hatten und sich dabei von aussen ideologisch und finanziell untersttzen liessen, die volle Verantwortung. sterreichs innenpolitische Situation war dann nach dem Ersten Weltkrieg immer schwieriger geworden. Vor der Dollfuss- und Schuschnigg-Diktatur waren bereits 40000 sterreicher nach Deutschland geflchtet, und Dollfuss war ermordet worden.

In der sterreichischen Verfassung nach den Revolutionen von 1919 hiess es: Deutsch-sterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik und in der Weimarer Verfassung: Deutsch-sterreich erhlt nach seinem Anschluss an das Deutsche Reich das Recht der Teilnahme am Reichsrat Bis dahin haben die Vertreter Deutsch-sterreichs beratende Stimmen. Der Anschluss wurde jedoch unter Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Vlker mit den Diktaten von Versailles und Saint Germain verhindert. Sogar die Errichtung einer Zollunion scheiterte besonders am Widerstand Frankreichs. Folgerichtig musste eine zwischenstaatliche Lsung gefunden werden, die dem Verfassungsauftrag beider Republiken mglichst nahe kommen wrde. In der Folge trafen sich am 12.2.1938 Schuschnigg und Hitler in Berchtesgaden, wo ein bereinkommen geschlossen wurde. Nach der Besprechung erklrte Schuschnigg am 6.3. ber den Rundfunk:

Unser Land ist ein deutsches Land, das Bekenntnis zur deutschen Schicksalsgemeinschaft geht niemanden in sterreich schwer ber die Lippen. Die deutsche Nation ist aber kein Verein, in den man eintreten und aus dem man austreten kann sondern eine Schicksalsgemeinschaft mit einer historisch gewachsenen, am vlkischen Charakter seiner Zugehrigkeit zu der heiligen blutgetrnkten Heimaterde bestimmten inneren Organisation und Sendung. (Aula 2/1996, S. 27)

Nach dieser Ansprache wurde Schuschnigg durch eine allgemeine Hetze aus den Reihen der franzsischen und englischen Hintergrundmchte zu erneutem Kurswechsel gezwungen. Die damaligen turbulenten Zustnde knnen hier aus Platzgrnden nur grob beschrieben werden. Folgende Hinweise mssen gengen:

Schuschnigg ordnete berhastet am 9.3. fr den 12.3. eine Volksabstimmung an, zu der es nicht einmal die ntigen Wahllisten gab. Seyss-Inquart wollte die Abstimmung verschieben lassen, Schuschnigg war dagegen, da er die Nationalsozialisten mit dieser verfassungswidrigen Abstimmung ausschalten und das Hitler gegebene Versprechen brechen wollte (Brockhaus, 1938). Darauf begannen sich die Ereignisse zu berstrzen. Brgerkriegshnliche Zustnde drohten. Schuschnigg liess an zuvor verbotene linke Organisationen Waffen ausgeben. Schon bei der Kehrtwende Schuschniggs liess Frankreich durchblicken, militrisch einzugreifen: Die Tschechoslowakei mit ihren 700000 Mann htte uns kaum im Stich gelassen, erklrte Oberbefehlshaber Gamelin.

Als Hitler am Abend des 10.3. seine Generle kommen liess, stellte es sich heraus, dass fr einen Eingriff in sterreich keinerlei Plne bereitlagen. Noch am 11.3. wollte Hitler die Probleme auf dem Verhandlungsweg lsen. Schuschnigg wurde auf Anraten des deutschen Staatssekretrs Keppler vom sterreichischen Bundesprsidenten entlassen und Seyss-Inquart mit der Neubildung der Regierung beauftragt. Am Nachmittag des 11.3. trat die Regierung bis auf Seyss-Inquart zurck. Gleichentags brachen in der Steiermark und in Krnten nationalsozialistische Revolutionen aus, die unblutig und ohne auf Widerstand zu stossen, zur Besetzung der Landesregierungen fhrten. Seyss-Inquart billigte um 21.45 Uhr ein Telegramm Kepplers nach Berlin mit der Bitte um baldige Entsendung deutscher Truppen zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung. Der Einmarsch selbst, fr den als wichtigstes Operationsziel die Besetzung der Grenzen zur Tschechoslowakei befohlen wurde, musste vllig improvisiert werden und fand teilweise ohne Mitfhrung von Munition statt.

Der Einmarsch der deutschen Truppen war von orkanartigen Begeisterungsstrmen der sterreichischen Bevlkerung begleitet, die meisten Strassen waren bereits mit Hakenkreuzfahnen geschmckt, und die Menge brach immer wieder in den Ruf; ein Volk, ein Reich, ein Fhrer aus. Hitler entschloss sich erst am 12.3. in Linz zur sofortigen Vereinigung sterreichs mit dem Reich. Nachdem die deutschen Truppen wieder zurckgenommen worden waren, fand am 10.4. die Volksabstimmung ber die Vereinigung statt, mit der die sterreicher endlich ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen konnten, die mehr als 99% Zustimmung fand. Der Schweizer Presserat ist damit widerlegt. Es sei ihm gesagt, dass die hauptschlichste Lge darin besteht, wichtige Ereignisse einfach auszuklammern.

hnliche Begeisterungsstrme des deutschen Volkes wiederholten sich bei der Eingliederung des Sudetenlandes im Herbst 1938 und der Stadt Danzig im September 1939. Zu einer nochmaligen und leider vorlufig letzten Manifestation des Volkswillens kam es, als die Bevlkerung der DDR am 9.11.1989 mit dem Ruf; wir sind das Volk, wir sind das Volk ihrem Willen zur Wiedervereinigung Ausdruck verlieh.

Der Schweizer Presserat stellt in Artikel sieben seines Urteils weiter fest: Der gegenwrtige Bundesrat will indessen keinen diktierten Anschluss der Schweiz an die EU (oder gar an die Nato), sondern faire und freie Verhandlungen mit Brssel, denen eine Volksabstimmung folgt, bei der das Stimmgeheimnis gilt und eine freie Entscheidung mglich ist. Vllig wahrheitswidrig, so der Presserat, sei auch die [in Zeit-Fragen behauptete] Gleichsetzung der Europischen Union mit dem Dritten Reich.

Der Presserat erweckt den Eindruck sich aus Ignoranten oder bestenfalls Opportunisten zusammenzusetzen. Es gab nmlich nie ein Drittes Reich, wie der Presserat diese Goebbelssche Propagandalge nachplappert. Goebbels versuchte sich damit von der Weimarer Republik zu distanzieren. Es war nach wie vor das 1871 gegrndete Bismarcksche Deutsche Reich. Dieses besteht de jure heute noch, was sowohl der alliierte Kontrollrat wie der Oberste Bundesgerichtshof schriftlich anerkannt haben.

Die Gleichsetzung der EU mit dem Dritten Reich sei deshalb wahrheitswidrig, so der Schweizer Presserat, weil zwischen einem gleichgeschalteten Fhrerstaat, in dem die Grundrechte aufgehoben waren und Staatsterror grassierte und einer Union freiheitlich organisierter Demokratien ein fundamentaler Unterschied besteht.

Welche Grundrechte aufgehoben waren und warum, erklrt der Presserat wohlweislich nicht. Auch lsst er ausser Acht, dass gegen ein demokratisch gewhltes Staatsoberhaupt zweimal ein Attentat begangen wurde und bei dergleichen Umstnden die blichen Rechtsnormen zusammenzubrechen pflegen und auch Unschuldige zu leiden haben. Desgleichen bergeht der Presserat, dass sich das Deutsche Reich im Kriegszustand befand. Schliesslich ist die Gleichsetzung der EU, die ja tatschlich ein gleichgeschalteter Fhrerstaat ist, mit der nicht existierenden freiheitlichen Union organisierter Demokratien vollkommen abwegig. Diese EU hat ohne ihre Brger zu fragen (deshalb nennt sie der Schweizer Presserat ja freiheitliche Demokratien!) mitten im Frieden (?) beschlossen, einen Europischen Haftbefehl aus der Taufe zu heben und hat Litauen vorerst bereits 30 Millionen Euro als Soforthilfe bereitgestellt, um die vllig ungengenden Haftkapazitten des Landes kurzfristig zu verdreifachen (Agnoli, S. 37f). Noch mehr Geld soll bereits zugesagt sein. In diesen Unions-Gefngnissen sollen wohl nach dem Vorbild Guantnamos forthin EU-Brger weggesperrt werden. Man braucht kein Anhnger oder Bewunderer des Hitlerschen Nationalsozialismus zu sein, doch bleibt die unbestreitbare Tatsache, dass sich Nationalsozialisten als Sozialisten verstanden, welche ihre Ideale auf nationaler Ebene zum Wohle ihres Volkes realisieren wollten. Wenigstens ein solches Vorhaben kann unserem Adolf Ogi nicht nachgesagt werden!

Nicht bloss der Presserat sondern auch die Redaktion Zeit-Fragen liegt mit ihrer Gleichsetzung falsch. Die EU ist nicht mit dem Nationalsozialismus unter Hitler, sondern mit der Zeit vor ihm zu vergleichen. Nmlich mit der Rtediktatur und den Linksparteien und hier besonders mit der durch die von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gefhrten USP (Union Sozialistischer Parteien) wie auch der damaligen SPD, welche sich beide mitten im Kriege Deutschlands gegen eine bermacht von Feinden zur internationalen Solidaritt der Arbeitermassen und gegen die Bewilligung weiterer Kriegskredite aussprachen. Sie bedienten sich Losungen Lenins und bernahmen bolschewistische Agitation. Vor allem in den Rstungsbetrieben setzten sie ihre Obleute ein, welche Kernzellen der geplanten Revolution bildeten. In den Spartakusbriefen und Flugblttern wurden die deutschen Arbeiter und Soldaten aufgefordert, dem Beispiel der russischen Oktoberrevolution zu folgen. berall riefen sie zu Streiks auf um die imperialistischen Klassen in Deutschland zu brechen. Die Streiks erfassten schliesslich mehr als eine Million Menschen in ganz Deutschland. Am 7.4.1919 wurde von Toller, Mhsam und Landauer in Mnchen die Rterepublik ausgerufen. Nach fnf Tagen wurde die Rterepublik nach russischem Muster dem Diktat der aus Russland emigrierten Juden Lewien, Levin-Nissen und Axelrod unterstellt. Mord und Todschlag waren fortan an der Tagesordnung. Am 17.7.1923 antwortete Innenminister Schweyer auf eine Anfrage der SPD: Die Revolution 1918 war bekanntlich keine aus den Tiefen des Volkes geborene Erscheinung. Sie wurde vielmehr von einer Handvoll Menschen gemacht die Revolution von 1918 war nicht nur ein strafrechtliches, sondern vielmehr ein moralisches Verbrechen am deutschen Volk Zur landesverrterischen Haltung der Linkspresse erklrte er: Das Ausland nimmt hhnisch und befriedigt von solchen Auslassungen Notiz, die blinder Fanatismus ihm in die Hand spielt (G. Franz-Willing, 1977, S. 167). Der englische Korrespondent der Neuen Zrcher Zeitung schrieb am 1.12.1918 aus Deutschland: Was die deutsche Armee betrifft, so kann die allgemeine Ansicht in das Wort zusammengefasst werden: Sie wurde von der [aufgehetzten] Zivilbevlkerung erdolcht (Sddeutsche Monatshefte 21, 1924, H. 8).

Ebenso, schreibt der Schweizer Presserat, knnen die USA und die Nato keinesfalls mit dem Dritten Reich gleichgesetzt werden. Dem ist beizupflichten, aber anders als der Presserat denkt:

Der bekannte serbische Oppositionsfhrer Vuk Draskovic nannte nach dem Kosovokrieg 1999 Hitlers Wehrmacht einen wrdigen, ehrlichen Feind, whrend die NATO verlogen, erbrmlich und feige sei und dem Land in 36 Tagen mehr Unglck gebracht habe als Hitler in 4 Jahren Okkupation.

Originaltext Spiegel-Interview: Spiegel: Sie wollen doch wohl nicht die NATO mit Hitlers Wehrmacht in eins setzen? Draskovic: Die Zahl der Opfer im Kampf gegen Hitler war natrlich grsser als heute. Aber diese Serben fielen heldenhaft, wir sahen den Gegner vor Augen. Der jetzige Feind ist verlogen, erbrmlich, feige und im Vergleich zu dem deutschen Generalfeldmarschall Mackensen ein elender Wicht. Mackensen liess sofort nach der Einnahme Belgrads ein Denkmal errichten mit der Inschrift: Dem grossen serbischen Feind. Wer sind diese Feiglinge jetzt, die ein Land vom Himmel aus zerstren, ein Volk der kollektiven Rache unterziehen und es vernichten wollen? (Spiegel, 18/1999).

Mit diesem Versuch, so der Presserat, Ogi wahrheitswidrig in schlechter Gesellschaft zu plazieren, hat Zeit-Fragen Ziffer 1 der Erklrung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten verletzt.

In Zeit-Fragen lesen wir nebst ihren ausgezeichnet guten Beitrgen leider auch immer wieder unhaltbare weil lngst widerlegte Behauptungen zum Geschehen des Zweiten Weltkrieges und der Nationalsozialisten. Die Redaktion braucht sich daher nicht zu wundern, wenn Kritik an ihr gebt wird, denn wie die mehr als dummen Behauptungen dieses Presse(un)rates knnen auch ihre eignen leicht widerlegt werden quod erat demonstrandum. Es fehlt auf beiden Seiten bloss die Einsicht, dass Wahrheit unteilbar ist.

Gleiches gilt fr den Schweizer Presserat, wenn er meint, das Schweizervolk knne ber einen allflligen EU-Beitritt (oder der NATO) frei entscheiden. In Wirklichkeit herrschen antidemokratische Staatspropaganda gepaart mit Willkr und Ausgrenzung Andersdenkender bis hin zu Redeverboten. Das Volk wird gegen seinen Willen massenpsychologisch manipuliert und Schritt fr Schritt mit der EU und NATO gleichgeschaltet, was dem Verfassungsauftrag klar zuwiderluft.


Fussnote

* www.presserat.ch/14290.htm