Esoterik contra Rationalismus

Wenn es um das Deutsche Reich geht, sind Lge, Flschung und Betrug wesentliche Merkmale von Presse und Television. Die Fackel der Wahrheit wird nur von wenigen Verlegern vorausgetragen. Krzlich ist eine in der Schweiz von Benjamin und Ursula Seiler herausgegebene Monatsrevue ZeitenSchrift mit einer Artikelserie zum Weltkrieg auf das absatztrchtige Reizthema aufgesprungen, leider nicht ohne esoterische Verunzierungen, die wenig mit Wahrheit zu tun haben. Die allseitig gebruchlichen Schwindeleien werden vorlufig noch am Leben erhalten, denn viele Autoren sind Opfer derselben geworden, weil sie unerlsslich Bcher aus Flscherwerksttten lesen. Doch unter zunehmendem Druck wahrheitsliebender Menschen werden sich die satanischen Lgen in absehbarer Zeit in die Hlle zurckziehen. Ursula Seiler scheint von der esoterischen Gedankenwelt besonders angetan zu sein. Einem roten Faden gleich durchzieht der Okkultismus ihre Beitrge zum Zweiten Weltkrieg.

Ganz anders ihr Ehepartner Benjamin Seiler, der immer Herr des faktischen und klaren Verstandes bleibt: Seit 8. Mai 1945, dem Ende des Zweiten Weltkriegs vernebelt eines der grossen historischen Dogmas den ungetrbten Blick auf eine Epoche unsglichsten menschlichen Leides Am Tropf einer politisch-korrekten ffentlichen Meinungspolitik hngend, hat die deutsche Alleinschuld im Bewusstsein der Menschen berlebt, obwohl sie nichts weiter ist als eine Propagandalge. Der New Yorker Erzbischof Kardinal Farley habe vor dem Beginn des 1. WK auf die verborgenen Beweggrnde hingewiesen: Der Krieg, der in Vorbereitung ist, wird ein Kampf zwischen dem internationalen Kapital und den regierenden Dynastien sein. Das Kapital wnscht niemand ber sich zu haben, kennt keinen Gott oder Herrn und mchte alle Staaten als grosse Bankgeschfte regieren lassen. Ihr Gewinn soll zur alleinigen Richtschnur der Regierenden werden. Das Deutsche Kaiserreich und die Donau-Monarchie sterreich-Ungarn wurden Republiken. Mit der Ermordung des Zaren im Jahre 1917 strzte die russische Monarchie, wie vor ihr schon das franz. Herrschergeschlecht der Bourbonen. Alles wurde von langer Hand geplant: Darin spielten Geheimbnde wie die Freimaurer eine wichtige Rolle. Sie waren auch massgeblich fr den Ausbruch des 1. WK verantwortlich Gewisse Freimaurerzirkel wollten manch ein gekrntes Haupt aus dem Weg schaffen. Nicht zuletzt den deutschen Kaiser. Es war brigens auch [der Hochgradfreimaurer] Wilson gewesen, der 1913 das private US-Notenbanksystem der Federal Reserve eingefhrt hatte gerade rechtzeitig zum Krieg, an welchem die Hochfinanz prchtig verdienen sollte Die Wurzel aller volkswirtschaftlichen Miseren sah Hitler im Kredit- und Zinsgeschft der internationalen Hochfinanz, die in seinen Augen vor allem eine Clique von anglo-amerikanischen Juden war. Der sptere britische Premierminister Winston Churchill 1919 in einem Interview mit der Londoner Times: Sollte Deutschland in den nchsten 50 Jahren beginnen, Handel zu treiben, so haben wir den Krieg umsonst gefhrt. Auf elf Seiten deckt Benjamin Seiler schonungslos auf, was die Speichellecker des Hochkapitals, Presse und Television, systematisch unterdrcken. Diese elf Seiten sind es Wert, die Zeitschrift nachzubestellen.1

Ganz anders Ursula Seiler: Bei ihr berlebt die sogenannte Machtergreifung Hitlers, obwohl er bei den Wahlen im Frhjahr 1932 hinter von Hindenburg am meisten Stimmen hatte und er am 30.1.1933 vom Reichsprsidenten von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde. Die Amtsvereinigung (Reichsprsident und Reichskanzler) wurde am 19.8.1934 mit 90% der Stimmen angenommen und am 29.3.1935 haben sich 99% fr Hitlers Fhrung ausgesprochen. Auch vermeint Ursula Seiler allen Ernstes, die politische Intelligentia jener Zeit sei Opfer von Hitlers okkulten Krften geworden, die nur die wenigsten als das erkannten, was sie waren: die Krfte der Dunkelheit. Da werden, auch wenn es nicht direkt gesagt wird, Staatsmnner wie Churchill, Knig Edward VIII, Earl of Halifax (britischer Aussenminister), Graf Jerzy Potocki (pol. Botschafter, der fr Verstndigung mit Deutschland eintrat) und Carl Jakob Burckhardt (Vlkerbundkommissar in Danzig, spter Prsident des Internationalen Roten Kreuzes) kurzerhand zu naiven Dummkpfen abgestempelt. Hitler sei Herrscher ber ein fremdes Volk gewesen und die Nazis nicht einfach ein Haufen finsterer, brutaler Schlger, glaubt Ursula Seiler der 60-jhrigen Lgenpropaganda!

Ihre Gedanken an Esoterik schiessen buchstblich ins Kraut: Dass hinter dem Dritten Reich okkulte Krfte standen, offenbart schon sein Banner: Das Hakenkreuz, ist eines der ltesten esoterischen Symbole der Menschheit. Dieses ist jedoch wie auch das einfache Kreuz und der Freya-Stern zwei bereinandergelegte und um 180 Grad gegeneinander gedrehte Dreiecke (die Symbole von Wasser und Feuer = Feuerwasser) ein Symbol, das viele alte Wirtshuser ziert, eine mit dem Davidsstern identische Form ein Vorlufer der germanischen Runenzeichen.2 Oh Graus! Auch hinter der Schweiz und Israel stehen okkulte Krfte und ihre Banner mssen verboten werden. Und nicht zu vergessen: die vielen Lnder, welche den fnfzackigen Stern, ein okkult-freimaurerisch-satanistisches Symbol, in ihrem Wappen tragen, einschliesslich die EU.

In ihren Beitrgen ber Hitler und das Reich zitiert Ursula Seiler mehrmals flott einen unter Pseudonym schreibenden, fragwrdigen Autor E. R. Carmin. Auch ein Hermann Rauschning wird wiederholt als zuverlssiger Zeuge zitiert: Das Medium [Hitler] ist besessen (ZS 48/05, S. 32). Schauen wir uns letzteren Zeugen einmal nher an:3 Am 7.8.1887 geboren, war Rauschning Leiter der Kulturarbeit der deutschen Volksgruppe in Posen, wo er nach dem 1. WK ein landw. Anwesen betrieb. Er trat der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) bei und trat im Sommer 1931 in die NSDAP ber. Er wurde Vorsitzender des Landbundes und am 30.6.1933 Senatsprsident der 1919 vom Deutschen Reich abgetrennten freien Stadt Danzig, die durch das Versailler Diktat unter dem Schutz des Vlkerbundes stand. Gleichzeitig mit dem Diktat wurde ein Minderheitenschutzvertrag unterzeichnet, den Polen niemals einhielt. Am 23.11.1934 trat er von seinem Amt als Senatsprsident zurck. Die Grnde fr seinen Rcktritt waren Differenzen mit Gauleiter Forster, seine propolnische Politik und Streitigkeiten in Kirchenfragen. Er versuchte dann lngere Zeit krampfhaft bei fhrenden NS-Stellen, auch in Berlin, in Amt und Parteimitgliedschaft bleiben zu knnen. Dann verschwand er mit Theaterdonner von der politischen Bhne. 1937 setzte er sich nach schweren internen Auseinandersetzungen mit der NSDAP mit Hilfe der Polen ins Ausland ab.

1930 schrieb er ein Buch ber Die Entdeutschung Westpreussens und Posens, in welchem die Deutschfeindlichkeit Polens offen zu Tage tritt. (Zwischen 1955 und 1984 ist die Erwhnung dieses Buches nach und nach aus allen Lexika entfernt worden!) Er schrieb mehrere Aufstze in einer deutschsprachigen Kattowitzer-Zeitung, in denen er die Grndung einer neuen Partei vorschlug, die alle deutschen Oppositionsgruppen vereinigen und unter Danzig-polnischer Fhrung stehen sollte: doch wohl ein Ausfluss menschlicher und charakterlicher Verkommenheit. Den Hhepunkt an Flschung und Deutschenhetze erreichte Rauschning mit seinem Machwerk Gesprche mit Hitler, das in mehrere Sprachen bersetzt wurde. Die deutsche Ausgabe erschien ausgerechnet in der Schweiz und dazu noch wie zufllig im Europa-Verlag im Januar 1940. Der Schweizer Geschichtslehrer Wolfgang Hnel hat im Jahre 1984 die Gesprche als Geschichtsflschung entlarvt. Nachzulesen im 7. Band der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingoldstadt, 1984. Im Der Spiegel Nr. 37/1985, S. 92ff und in Die Zeit Nr. 30/1985, S. 16.

Ohne die przise Quellenangabe zu nennen, schreibt Ursula Seiler, Kurt von Schleicher und Ferdinand von Bredow seien von Mrderhand gestorben, weil sie Kenntnis von den Pasewalker-Akten Hitlers gehabt htten (ZS 48/05, S. 40). In diesen sei Hitler als krimineller, hysterischer Psychopath diagnostiziert worden. Eine ebenso verlogene Geschichte wie jene Rauschnings. Tatsache ist: Die Generle von Schleicher und von Bredow waren in fhrender Position am sogenannten Rhm-Putsch beteiligt. Reichsminister Ernst Rhm versuchte, im Interesse seines eigenen Machtgewinns, Hitler mit der von ihm gefhrten SA aus dem Bndnis von Reichswehr und Wirtschaft zu verdrngen. Die Reichswehr wurde in Alarmbereitschaft gesetzt und veranlasste Hitler, der zwischen SA und Reichswehr entscheiden musste, zu Abwehrmassnahmen gegen Rhm. Hitler entschied sich fr letztere, was ihm das Vertrauen der wenig nationalistisch eingestellten Offzierkorps der Reichswehr einbrachte. Fr den 30. Juni plante Rhm eine entscheidende Aktion. Gleichentags liess ihn Hitler in Bad Wiessee festnehmen, wo er sich mit der SA-Fhrungsspitze befand. Rhm und mit ihm weitere 82 Personen, darunter von Schleicher und von Bredow, wurden erschossen.

Dass der Rhm-Putsch eine blosse Erfindung der Nazis gewesen sei, um sich unbequemer Rivalen zu entledigen, und in seiner Gefhrlichkeit weit bertrieben sei, wie oft behauptet wird, ist falsch, wie der international anerkannte Historiker Prof. Dr. Werner Maser in seiner umfassenden und wie kaum ein anderes Werk dokumentierten Hitler-Biographie nachweist.4 Aus Platzgrnden knnen hier der bewaffnete Aufmarsch der SA in Mnchen auf dem Knigsplatz und der Umfang leichter und schwerer Bewaffnung sowie das Ausmass weiterer Massnahmen des Rhm-Putsches nicht beschrieben werden.

In seiner Magisterarbeit fr die Fakultt der Geisteswissenschaft der Universitt Hamburg Gott in uns! Die Germanische Glaubens Gemeinschaft untersucht Daniel Junker just Fragen wie sie von Ursula Seiler als okkulter Hintergrund und messianischem Sendungsbewusstsein Hitlers und der NS-Fhrung genannt werden. Junker stellt dabei fest, dass das Vlkische und vlkisch Religise im Zusammenhang mit der Geschichte des Nationalsozialismus untersucht wurde. Die anfngliche Euphorie vieler Angehriger nach der Machtergreifung Hitlers sei schnell einer Ernchterung gewichen, als deutlich wurde, dass der nationalsozialistische Staat zunehmend an einer Verstndigung mit den etablierten Kirchen interessiert war und weniger an einer vlkischen Revolution. Die von Ursula Seiler erwhnten Guido von List und Lanz von Liebenfels sind auch fr Daniel Junker keine Unbekannten. Besondere Aufmerksamkeit widmete Junker auch dem Hakenkreuz. Vlkisch-religise-Esoteriker sahen in ihm ein Heilszeichen zu urdeutschem Wesen und urdeutscher Erkenntnis. Dass ausgerechnet Daniel Junker, der auf diesem Gebiet geforscht hat, vom okkulten Hintergrund Hitlers und seiner NS-Fhrung nichts erwhnt, kann nur dahin gedeutet werden, dass es den esoterischen Hintergrund der Thule-Eingeweihten (Rauschning) nicht gegeben hat. Er ist unter den unzhligen Lgen ber Hitler und den Nationalsozialismus; bloss eine Lge mehr.

Auch Wilfried Daim, der Jrg Lanz von Liebenfels Einfluss auf Hitler akribisch untersucht hat, weiss in seinem Buch5 nichts von einem Thule-Orden, obwohl ersterer Mitbegrnder und Mitglied dieses Ordens gewesen sein soll (ZS Nr. 48/05, S. 35). Sympatie fr den einen oder anderen zeigt Daim nicht, schon eher das Gegenteil.

Richtig ist, dass Adolf Hitler und Rudolf Hess im Geopolitiker und Mnchner Universittsprofessor Karl Haushofer einen mchtigen Mentor hatten.6 In ZeitenSchrift heisst er einfach nur Lehrer. Wahr scheint auch zu sein, dass Adolf Hitler in seinen politischen und militrischen Planungen die Astrologie zu Rate zog.7 Genau gleich wie heute Bankdirektoren, Schornsteinfeger, Sekretrinnen und andere mehr. Oder fr wen sonst werden die nach dem 8. Mai 1945 regelmssig erscheinenden Horoskope in den Zeitschriften gedruckt?

Benjamin und Ursula Seilers Beitrge stehen in einem seltsamen und unerklrlichen Widerspruch zueinander. Die Erzhlungen, in welchen Hitler und der NS-Fhrung okkulte Hintergrnde angedichtet werden, sind so abwegig, um nicht mehr zu sagen, dass man sie Ursula Seiler schwerlich zutrauen mag und bloss vermuten kann, sie seien die Auftragsarbeit irgend eines Geheimdienstes. Doch warum in aller Welt, hat das Verlegerpaar die Publikation nicht abgelehnt?


Fussnoten

1 ZeitenSchriften, Postfach, CH-6275 Ballwil; fr Deutschland: D-10609 Berlin. Heft Nr. 46/2005, Fr. 12.-, Euro 8,25.

2 Isa Prinzessin von Schnaich-Carolath, Runen-Denkmler, Thringen 1924, Neuausgabe von Roland-Faksimile, Bremen 2005.

3 Wendig Heinrich Dr., Die Lgen des Herrn Rauschning, in Richtigstellungen zur Zeitgeschichte, Heft 1, Grabert, Tbingen 1990. Ebenso: Wild Andreas, Rauschnings Hitlergesprche eine Flschung, in Die Welt, Nr. 115, 19.5.1983, S. 25.

4 zitiert nach Rudolf Czernin Das Ende der Tabus, Leopold Stocker Verlag, Graz 1998, 1999.

5 Wilfried Daim, Der Mann, der Hitler die Ideen gab Jrg Lanz von Liebenfels, 330 Seiten, VMA-Verlag, Wiesbaden, 3. Auflage 1994.

6 Die Beziehungen zwischen A. Hitler, Rud. Hess, Sam Hoare und Karl Haushofer beschreibt Martin Allen in seinem Buch Churchills Friedensfalle, Druffel-Verlag, Stegen/Ammersee 2003.

7 Alfred Lpple Paula Hitler. Die unbekannte Schwester, Biographie, Druffel-Verlag, Stegen/Ammersee 2003, S. 22.