Die Entstehung der Justizwillkr

Von Alex Brunner, Wetzikon

1. Der Tatbestand

Wer mit Schweizer Behrden und der Justiz aller Stufen und Orte zu tun hat, kommt meist zu spt zur Einsicht, dass diese nur selten im Dienste des Rechts funktionieren. Auf Schritt und Tritt erlebt man, dass unsere Gerichte und andere Behrden mit grsster Selbstverstndlichkeit gegen geschriebenes Recht verstossen und die angerufenen Obergerichte nicht davor zurckschrecken, die eingelegten Rechtsmittel abzuwrgen und die Vorinstanz willkrlich in Schutz zu nehmen.

2. Der statistische Beweis der Justizwillkr

Der Beweis fr die Justizwillkr kann auch auf statistischem Wege gefhrt werden, indem die von den Aufsichtsbehrden gutgeheissenen Gerichtsurteile mit der Anzahl Gerichtsverfahren verglichen werden. Ist der errechnete Prozentsatz konstant, dann ist auch die Rechtssprechung konstant. Eine weitere Kontrolle ist die Anzahl Rechtsmitteleingnge (Beschwerden, Anfechtungen eines Urteils). Nimmt diese ungebhrlich zu, so besteht bei den Vorinstanzen ein erhebliches Willkrpotential.

Beim Bundesgericht (BGer) blieb die Rechtssprechung in Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren bis 1952 in etwa konstant. Ab 1953 gingen die gutgeheissenen Gerichtsurteile auf ein Viertel zurck, obschon die Gesetzgebung unverndert war. Das heisst nichts anderes, als dass Beschwerden willkrlich abgewiesen wurden. In den anderen Rechtsbereichen nahm die Anzahl gutgeheissener Gerichtsurteile erst nach den 70er Jahren ab.

Ab 1972 haben Beschwerden und Anfechtungen beim Bundesgericht im Laufe von 25 Jahren mit rund 145 Verfahren pro Jahr zugenommen. Das sind ber 3600 Verfahren. Die aufsehenerregende Zunahme von 215 % weist klar darauf hin, dass auch die kantonale Justiz nicht mehr so funktioniert wie sie msste. Die Willkr hatte sich jetzt in allen Kantonen das Feld erobert. Fr den Kanton Zrich ist sie wie auf eidg. Ebene statistisch nachgewiesen und deckt sich mit den dortigen Erkenntnissen.

3. Die jhrlichen Geschftsberichte des Bundesgerichtes

Der Gesinnungswandel des Bundesgerichtes lsst sich am eindrcklichsten anhand des Geschftsberichtes der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer darstellen.

1892 trat das neue Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (SchKG) in Kraft. Dem BGer kam die Oberaufsicht zu. Aufgrund gravierender formeller und materieller Mngel bei der Umsetzung des SchKG in den Kantonen beschloss es 1905, Inspektionen vor Ort durchzufhren. Gleichzeitig hatte es die kantonalen Aufsichtsbehrden dazu verpflichtet, jhrlich ber zuvor festgelegte Einzelpunkte zu rapportieren. Das fhrte dazu, dass fortan vom BGer immer wieder falsche bzw. fragwrdige Methoden der Rechtsanwendung festgestellt und gergt wurden. Dessen ungeachtet wurden trotz erfolgreicher Ttigkeit oder vielleicht gerade deswegen? die Inspektionen des Bundesgerichtes im Jahre 1933 zusehends immer mehr eingestellt.

Aus dem Geschftsbericht 1964 der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer geht hervor, dass es nicht Aufgabe des Bundesgerichtes, sondern der kantonalen Aufsichtsbehrden sei, die Betreibungs- und Konkursmter zu berwachen und alljhrlich deren Geschftsfhrung zu prfen. Im Jahr 1906 vertrat das BGer noch genau die gegenteilige berzeugung. Es selbst hatte damals festgehalten, seine Oberaufsicht schliesse auch die Kompetenz zu jeder Massnahme ein, welche die richtige Durchfhrung des Gesetzes auf dem Verwaltungswege zum Zwecke habe. Dem sollte nun pltzlich nicht mehr so sein.

Obschon in frheren Jahren die Anwendung des SchKG und die Rapporte der kantonalen Aufsichtsbehrden immer wieder Anlass zu Rgen gegeben hatten, wurde in den Jahren 1950 bis 1982 darauf hingewiesen, dass die Berichte im allgemeinen zu keinen Bemerkungen Anlass geben. Seit dem Jahre 1983 herrscht darber Stillschweigen. Inzwischen hat das BGer durch sein merkwrdiges Verhalten das noch nher zu untersuchen sein wird bewiesen, dass es die Oberaufsicht vorstzlich nicht mehr wahrnimmt und im Amt begangene Vorteilsgewhrung und Betrug durch die unteren Instanzen zugunsten eines unlauteren Netzwerks wissentlich deckt. Die Jahresrapporte der kantonalen Aufsichtsbehrden an das BGer werden nicht mehr kontrolliert, sondern bleiben totes Papier und sind zudem unvollstndig. Sodann sind die Geschftsberichte des BGer sptestens seit dem Jahre 1950 tatsachenwidrig.

4. Die parlamentarische Oberaufsicht

Dass die parlamentarische Oberaufsicht ber die Justiz in Bund und Kantonen nicht immer so zurckhaltend gehandhabt wurde wie heute und Gerichtsurteile inhaltlich nicht mehr geprft werden drfen, ergibt sich aus den wenigen zugnglichen Protokollen der Justizkommissionen der Kantone Zrich und Schaffhausen. Aus diesen geht hervor, dass es bis in die 50er Jahre hinein blich war, auch Gerichtsurteile inhaltlich zu prfen. Auch die damalige Rechtsliteratur sprach sich nicht gegen Kontrollen aus. Obschon die diesbezglichen Protokolle sowohl beim Bund als auch bei den Kantonen rechtswidrig unter Verschluss gehalten werden, lsst sich feststellen, dass die Oberaufsicht im Jahre 1952 zunchst beim Bund und anschliessend in den Kantonen (Schaffhausen 1953 1954; Zrich 1955 1971) aufgehoben wurde. Damit war der Weg fr die nationale Justizwillkr frei. Dies ist auch eindrcklich durch die Zunahme der Beschwerden bewiesen.

5. Die Konsequenzen

Im Zusammenhang zeigt sich, dass die Initiative zur Einschrnkung der parlamentarischen Oberaufsicht wohl von Politikerseite des Bundes gekommen ist, doch einzelne Richter von Anfang an mitgezogen haben. Heute werden nur noch Richter gewhlt, die diesem politisch-juristischen Netzwerk keinen Widerstand entgegensetzen.

Wie die Grafik der gutgeheissenen Gerichtsurteile in SchKG-Sachen beim Bundesgericht zeigt, brachen die Gutheissungen unmittelbar nach der informellen Aufhebung der parlamentarischen Kontrolle massiv ein, brigens auch in den Kantonen Zrich und Schaffhausen. Dies lsst die berechtigte Vermutung aufkommen, dass das Netzwerk mit Hilfe willfhriger Personen dazu bergegangen ist, der Vorteilsgewhrung Vorschub zu leisten. Das musste dazu fhren, dass die Verantwortlichen strafrechtlich nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden (knnen). Das System ist eine Einladung zum Missbrauch, und zwar mit Wissen der Rechtswissenschaftler, die dem Unrecht keinen Widerstand entgegensetzen, weil sie vollstndig ins Netzwerk integriert sind. Widerstand wrde ihrem beruflichen Fortkommen schaden.

6. Weitergehende Hinweise

Der Autor hat der Bundesversammlung mehrere Eingaben gemacht. Die 5. befasst sich mit dem hier gesagten. Interessierte knnen diese ber die Heimseite brunner-architekt unter brige Politik Schriftenwechsel Thema Korrespondenz mit der Bundesversammlung, einsehen.