Einmal mehr erweist sich die NATO als Instrument der Globalisierer

Von Richard Melisch

 

Ein Bericht aus England

Am 28. Januar 2008 stand im britischen Guardian zu lesen, dass ein von fhrenden NATO-Offizieren verfasstes vertrauliches Manifest aufgetaucht ist, in dem sie fordern, der Westen msse sich eine neue globale Strategie zulegen, um sowohl mit atomaren als auch anderen Massenvernichtungswaffen Prventivschlge gegen den immer brutaler auftretenden Terrorismus in der Welt zu fhren. Nachdem es bereits dem Pentagon und dem NATO Generalsekretr Jaap de Hoop Scheffer unterbreitet worden war, kam es anlsslich der NATO-Konferenz Anfang April in Bukarest zur Diskussion (siehe Seite 6 Nato Terrorkrieg auf fnf Kontinenten). Darin warnen die Autoren General John Shalikashvili, ehemaliger Vorsitzender der vereinten US-Generalstabschefs und Oberkommandierender der NATO in Europa, General Klaus Naumann, Deutschlands hchstrangiger Offizier und ehemaliger Vorsitzender des militrischen NATO-Komitees, General Henk van den Breemen, ehemaliger hollndischer Generalstabschef, Admiral Jacques Lamxade, ehemaliger franzsischer Generalstabschef sowie Feldmarschall Lord Inge, ehemaliger britischer Generalstabschef also die Elite dieser dem Kommando der USA gehorchenden multinationalen Mischtruppe vor der mangelnden Bereitschaft des Westens, neuen Bedrohungen und Herausforderungen, die sich nach den Ereignissen des 11. September 2001 ergeben htten, entschlossen entgegenzutreten.

Obwohl sich die Werte und auch die Lebensweise unserer westlichen Zivilisation in hchster Gefahr befnden, mangle es unserer westlichen Wertegemeinschaft am ntigen Willen so die fnf Fnfbesternten diese zu verteidigen. Es gelte, folgenden Drohungsszenarien unbedingt vorbeugend zu begegnen:

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dem politischen Fanatismus und religisen Fundamentalismus;

 
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dem internationalen Terrorismus, dem organisierten Verbrechen, der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen;

 
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der Erderwrmung und Energieversorgungskrisen, die Verdrngungskmpfe und Wanderbewegungen von gewaltigen Menschenmassen auslsen wrden;

 
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der Schwchung der Wehrfhigkeit von nationalen Armeen sowie der UNO, NATO und der EU.

Um diesen Gefahren zu begegnen, wollen die fnf Offiziere ein Umdenken im NATO-Entscheidungsprozess herbeifhren und fordern deshalb ein neues Direktorium, das aus amerikanischen und europischen Entscheidungstrgern zusammengesetzt ist, ber die volle Entscheidungsgewalt verfgt und jede Art von Quertreibereien seitens der EU oder interne Querelen innerhalb der NATO ausser Acht lassen kann. Weiter fordern sie:

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Statt Einstimmigkeit nur noch Anerkennung des Mehrheitsprinzips bei allen Abstimmungen;

 
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Abschaffung jeglichen nationalen Einspruchrechts gegenber Entscheidungen der NATO;

 
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Keine Mitbestimmung fr Mitglieder, die an den NATO-Einstzen nicht teilnehmen;

 
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NATO-Militreinstze auch ohne Genehmigung des UNO-Weltsicherheitsrates, wenn es um den Schutz von Menschenleben geht.

Im Zuge der scharfen Kritik, die der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates gegenber einigen Mitgliedern aufgrund ihrer schwachen Leistungen im Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan erhoben hatte, bemngelten auch die fnf genannten Generle, dort stnde berhaupt die Glaubwrdigkeit der NATO auf dem Spiel, ja sogar ihr Versagen sei nicht mehr auszuschliessen. In der Kritik gegen sein eigenes Land tat sich besonders Naumann hervor: Es sei jetzt die Zeit gekommen, da Deutschland entscheiden muss, ob es als Partner noch ernstgenommen werden will. Mit ihrem Beharren auf Extrawrste fr ihr Kontingent im Norden Afghanistans, wrde die deutsche Regierung zur Auflsung der NATO beitragen.

Naumann gibt zu, dass der atomare Erstschlag sogar unter den fnf genannten Generlen nicht unumstritten ist, doch bilde diese Option ein zentrales Element in den berlegungen der NATO-Strategen, auch wenn einige von ihnen dies nicht offen bekennen wollen.

Soweit im grossen und ganzen der Bericht des britischen Guardian, wre da nicht der folgende Absatz, dem der Leser auf den ersten Blick wenig Aufmerksamkeit schenkt: Ron Asmus, Direktor des German Marshall Fund in Brssel und ehemals hoher Beamter im US-Aussenministerium, bezeichnet dieses Manifest als einen Alarmruf zur rechten Zeit, denn hier htten fhrende NATO-Generle zum Ausdruck gebracht: We are in trouble (wir stecken in Schwierigkeiten), der Westen lsst sich treiben und stellt sich nicht den Herausforderungen.

 

Wer oder was versteckt sich hinter diesem Deutschen Fonds?

Auf seiner Netzseite stellt sich dieser als German bezeichnete Marshall Fund und dessen Brsseler Bro, das von einem Amerikaner geleitet wird, als wichtiges Hilfsmittel des transatlantischen Dialogs im Herzen EU-ropas dar, wobei Ron Asmus grosses Verstndnis fr die europische Politik attestiert und sein reicher Erfahrungsschatz in europischen Angelegenheiten hervorgehoben werden. Diese Fhigkeiten seien im stndigen Kampf um die Erweiterung und Ausbreitung von NATO und EU in alle Himmelsrichtungen unverzichtbar, vor allem im Hinblick auf die gemeinsame Politik der USA und Europas in Sachen Trkei, Ukraine, Schwarzmeer-Region und des Erweiterten Nahen Ostens. Der German Marshall Fund wird im Internet als eine 1972 gegrndete amerikanische Einrichtung vorgestellt, mit dem Ziel, eine engere Zusammenarbeit und ein besseres Verstndnis zwischen den USA und Europa herbeizufhren. Finanziert wird diese Institution von Deutschland, aus Dankbarkeit fr und im Gedenken an den amerikanischen Marshall-Plan. Neben seinem Hauptquartier in Washington unterhlt dieser Fonds ausser in Brssel auch Zweigstellen in Berlin, Paris, Bratislava (!), Belgrad (!), Bukarest (!) und Ankara (!).

Freude kommt beim deutschen Steuerzahler auf, wenn er aus der Netzseite dieses German Fonds erfhrt, dass dieser sich fr den EU-Beitritt der Trkei einsetzt, denn sie sei die einzige Demokratie in der islamischen Welt, erflle deshalb eine Brckenfunktion von Europa hinber nach Asien und stelle auf Grund ihrer geostrategischen Lage einen grossen Gewinn fr EU und NATO dar. Noch mehr Freude kommt beim zuwanderungsgeplagten deutschen Michel auf, wenn er ber die Frderung von vielerlei Migrations- und Integrationsprogrammen durch den German Marshall Fund liest, und richtige Jubelstimmung breitet sich bei den EU-ropischen Spitzennettozahlern aus, angesichts einer Studie des German Fund-Direktors Ron Asmus zur Frage der Aufnahme Israels in die EU und in die NATO, eine Forderung, die von ihm, trotz einiger Skepsis gegenber so manchen noch zgernden und sich zierenden Europern, aus ganzem Herzen untersttzt wird.

Hier einige seiner Argumente: Immer strker wrde sich der Schwerpunkt der Euro-Atlantischen strategischen Allianz in den Erweiterten Nahen Osten verlagern, wo das grsste Gefahrenpotential lauert: Das Netzwerk der Al Qaida sei noch lngst nicht zerstrt, Russland schlage einen antidemokratischen Kurs ein und in Belarus (Weissrussland) herrsche ein Diktator. Brssel habe die volle Integration der Trkei in die EU beschlossen, um sowohl ihren Einfluss stlich des Schwarzen Meeres zu verstrken als auch den Demokratisierungsprozess in der Ukraine voranzutreiben. Es sei jetzt im gegenseitigen Interesse Israels, der EU und der USA, sich im Krieg gegen den Terror enger aneinander zu schliessen, um den tdlichen Gefahren zu begegnen, die von fundamentalistischen Ideologien ausgehen, deren Anhnger nicht davor zurckschrecken wrden, Massenvernichtungswaffen einzusetzen. Die Gefahr fr Israels Sicherheit, aber auch fr die Sicherheit der USA und der EU-Staaten, die von dem nuklear gersteten Iran und dem vielleicht bald ebenso gersteten gypten ausgehen, seien zwingende Argumente fr eine Eingliederung des Zionistenstaates in die EU und NATO. Truppen der Allianz knnten Israels Grenzen beschtzen und im Gaza-Streifen fr Ordnung sorgen. Dies wrde in Israel das Gefhl der Isolation mindern, seinen Brgern im Falle militrischer Auseinandersetzungen mit seinen Nachbarn ein Gefhl zustzlicher Sicherheit vermitteln, Zugang zu neuen Mrkten erschliessen und die Stabilitt ihrer Whrung gewhrleisten. Eine Partnerschaft Israels mit der NATO und EU wre ein eindeutiges Signal an alle Staaten des Erweiterten Nahen Ostens, dass die Euro-Atlantische Allianz nunmehr offen fr Israel Partei ergriffen hat. Dies wrde weder zu einer weiteren Radikalisierung fhren, noch Ausbrche von neuen antiwestlichen Feindseligkeiten nach sich ziehen, sondern die widerspenstigen Vlker und Herrscher in der Region davon berzeugen, dass sich der Widerstand gegen Democracy, den liberalen way of life und westliche Werte niemals auszahlt.

Der politisch halbwegs informierte deutsche Medienkonsument wird angesichts dieser eindeutig globalisierungsfreundlichen Ziele des German Fonds kaum verwundert sein, auf dieser Netzseite unter seinen vielen Partnern und Frderern die folgende Namen zu finden: Die Bertelsmann Stiftung, das Council on Foreign Relations, die erste Stiftung (aus dem neutralen sterreich!), das deutsche Innenministerium, die Heinrich Bll-Stiftung (mit dem Beinamen Die Grne politische Stiftung!), die Konrad Adenauer-Stiftung, die Rockefeller Foundation und eine ganze Reihe weiterer Einrichtungen, deren ehrenwerte Fhrungs-Eliten sich wohl schon von Davos, vom Forum Alpbach und von den Bilderberger-Treffen her kennen.

Es stellt sich die Frage, ob die politisch korrekten Entscheidungstrger der genannten und ungenannten Partner und Frderer der Globalisierung bereit gewesen wren, ihre vielen Millionen an Spendengeldern in diese Werbe- und Hilfsorganisation von NATO und EU zu versenken, wenn sie vorher Kenntnis von deren geheimen Kriegsplnen und angedachten prventiven atomaren Erstschlgen erlangt htten? Wussten sie denn wirklich nicht Bescheid? Doch jetzt wissen sie Bescheid! Werden ihre Millionen trotzdem weiter fliessen? Eine Gewissensfrage; doch wo spielt Gewissen heute noch eine Rolle? Die alten Rmer hatten es da besser, denn sie konnten sich auf eine fhige und zuverlssige Regierung verlassen: Videant consules nec detrimenta capeat res publica (Mgen die Consuln danach sehen, dass der Republik kein Schaden erwachse). Doch wer und wo sind heute die Consules, die willens und fhig wren, unsere Republik vor Schaden zu bewahren?

 

Eine warnende Stimme aus den USA

Selbstverstndlich ist auch in den USA das rein zufllige Auftauchen dieses NATO-Strategiepapiers nicht unbemerkt geblieben. In der American Free Press vom 11. Februar nimmt sich der amerikanische Publizist Mark Glen dieses Themas an: Es war zu erwarten, dass die neokonservativen Kriegstreiber und ihre Hintermnner alles in ihrer Macht stehende tun wrden, um den aus den National Intelligence Estimates (NIE) (die nationalen Geheimdienstauswertungen) gewonnenen Erkenntnissen, der Iran produziere keine Kernwaffen, mit allen Mitteln entgegentreten wrden, auf dass sie den von ihnen seit langem geplanten Krieg gegen den Perserstaat endlich umsetzen knnen. Die Kriegstreiber in den USA und Israel htten klargestellt, die Erkenntnisse des NIE seien bedeutungslos, denn ein von fanatischen Mullahs regierter und nuklear gersteter Iran wrde unweigerlich die Entscheidungsschlacht Armageddon nach sich ziehen. In seiner Rede zur Lage der Nation schloss sich Prsident Bush dieser Meinung an: Wir werden auf jeden Fall unsere berlebenswichtigen Interessen im Persischen Golf schtzen! Wobei die Frage sicher berechtigt ist, wie sich denn Amerika verhalten wrde, wenn iranische Kriegsschiffe im Golf von Mexiko kreuzten, um dort die lebenswichtigen Interessen des Irans zu schtzen?

Zu guter Letzt hat sich auch Norman Podhoretz, einer der rgsten neokonservativen Kriegshetzer zu Wort gemeldet und zugegeben, er wrde tglich dafr beten, dass Bush noch vor dem Ausscheiden aus seinem Amt den Iran vernichtet. Deshalb fordert er in einem Beitrag fr das neokonservative Commentary Magazine, Prsident Bush mge endlich den Iran angreifen, und wenn er es nicht tte, dann msse dies der nchste Prsident schleunigst tun. Podhoretz beschreibt ein apokalyptisches Szenario, in dem der von finsteren Mullahs beherrschte Iran eine latente Bedrohung fr das friedliche Israel darstelle, dem die USA bedingungslos beistehen mssten. Als htte John McCain, wahrscheinlich der nchste US-Prsident, den Ruf von Podhoretz vernommen, schrieb er Ende Februar 2007 in der Washington Post: Der echte Beweis fr den gerechten Einsatz unserer Streitmacht und fr unsere hinter diesem stehenden moralischen Beweggrnde ist dadurch erbracht, dass wir nicht nur den Irak von einer Diktatur befreit haben, sondern dem irakischen Volk dabei helfen, eine demokratische (!) Zukunft zu sichern. Das ist der Beweis, dass wir kein Imperium erschaffen wollen, sondern unsere Macht ausschliesslich zu moralischen Zwecken bentzen.

Das irakische Volk lsst grssen!

Tagtglich und getreu ihres Auftrages verknden Politiker und Medien der Grossen Einheitspartei der politischen Korrektheit voller Optimismus, wir lebten in der besten aller Welten. Whrend eingefleischte Pessimisten berzeugt sind, dies knnte sogar stimmen, mssen wir Skeptiker die Frage stellen, ob angesichts des Desinteresses an seinem Schicksal, seiner Bereitschaft zur Unterwerfung unter eine bald siebzig Jahre dauernde Fremdherrschaft und seines stets vorauseilenden Nachgebens gegenber allen Forderungen, es sei denn, diese erfolgten im eigenen nationalen Interesse, es ungerecht und bertrieben wre zu behaupten, wir lebten in einer Zeit, da der deutsche Michel regelrecht darum bettelt, endgltig abgeschafft zu werden.