Ex-Verfassungsrichter: Holocaust-Leugner nicht bestrafen*
Wolfgang Hoffmann-Riem war bis April dieses Jahres Richter am Bundesverfassungsgericht. Bei einem Auftritt im Berliner Wissenschaftszentrum fr Sozialforschung schockt der renommierte Jurist das Publikum mit einer gewagten These: Das Verbot der Holocaust-Leugnung schtzt die Menschenwrde nicht.
Berlin Er ist einer der angesehensten Juristen der Bundesrepublik und gilt als strenger Hter von Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Wenn einer wie er in einer ffentlichen Veranstaltung gefragt wird, ob die Leugnung des Holocaust strafbar bleiben soll, erwartet man gespannt die Antwort. Und dann kommt es: Wolfgang Hoffmann-Riem, bis zum April Richter am Bundesverfassungsgericht und ehemals Justizsenator in Hamburg, sagt: Wre ich Gesetzgeber, wrde ich die Leugnung des Holocaust nicht unter Strafe stellen. Htte er als Verfassungsrichter dazu eine Entscheidung treffen mssen, htte ich mich schwer getan. Hoffmann-Riem begrndet seine Haltung nur kurz: Mit der Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung werde nicht das Rechtsgut geschtzt, das geschtzt werden soll. Gemeint ist vor allem die Menschenwrde. Das Bundesverfassungsgericht habe sich, sagt Hoffmann-Riem, bislang nicht sehr eingehend mit der Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung befasst. Aber womglich gebe es dazu mal eine neue, grundlegende Entscheidung. []
Auf welch heikles Terrain sich der Ex-Verfassungsrichter begeben hat, zeigt am Donnerstag die Reaktion des Zentralrats der Juden in Deutschland. Es ist unverantwortlich, dass sich eine Koryphe der Rechtswissenschaft beim Thema Holocaust-Leugnung solche Kapriolen leistet, rgert sich Stephan J. Kramer, der Generalsekretr des Zentralrats, im Gesprch mit dem Tagesspiegel. Hoffmann-Riem habe fahrlssig den Holocaust-Leugnern ein Argument in die Hnde gespielt, damit hat er der Meinungsfreiheit keinen Dienst erwiesen. Es sei zu befrchten, dass die Revisionistenszene nun ausgerechnet einen Rechtswissenschaftler mit so hohem Renommee als Kronzeugen missbrauche, sagt Kramer. []
Der Generalsekretr des Zentralrats sieht indes, wie Hoffmann-Riem, eine Einschrnkung der Meinungsfreiheit skeptisch. Doch Kramers Sorge gilt dem politischen Risiko, das mit einer schrankenlosen Meinungsfreiheit verbunden wre. Ich mchte nicht wissen, wie schlimm es in Deutschland ausshe, wenn die Leugnung des Holocausts nicht strafbar wre, sagt Kramer. In einer Zeit des sprbar wachsenden Rechtsextremismus ist der Versuch, ein Verbot aufzuweichen, ein gefhrliches Signal.
Zahlreiche Rechtsextremisten wurden in Prozessen wegen der Leugnung des Holocausts verurteilt. Aufsehen erregte vor allem das turbulente Verfahren gegen Ernst Zndel, den das Landgericht Mannheim im Februar 2007 zu fnf Jahren Haft verurteilte. Zndel hatte von Kanada aus seine Propaganda im Internet verbreitet. Im Prozess applaudierten ihm der ebenfalls notorisch agitierende Horst Mahler und andere Rechtsextremisten. Grundlage solcher Verfahren ist der Paragraph 130 des Strafgesetzbuches [in der Schweiz Art. 261bis StGB], der fr Volksverhetzung [Schweiz: Leugnen des Vlkermordes] Haftstrafen bis zu fnf Jahren vorsieht. In Absatz 3 wird unter Hinweis auf das Vlkerstrafgesetzbuch die Leugnung, Billigung oder Verharmlosung des Vlkermords der Nazis genannt.
Fr Hoffmann-Riem ist der Umgang mit der Holocaust-Leugnung ein Beispiel fr punktuell bertriebene Hrte des Rechtsstaats in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Die streitbare Demokratie, rt der einstige Verfassungsrichter, sollte es unterlassen, durch Repression Mrtyrer zu schaffen.
Kommentar von
Ein Leser schrieb an den Tagesspiegel: Objektiv1 unrichtige Behauptungen sind kein schutzwertes Gut. Wir fragen: Ist diese Auffassung richtig? Ja, sie ist richtig, wenn nachgewiesen ist, dass eine Behauptung falsch ist. Die Auffassung ist jedoch unzulssig, wenn keine Untersuchung die Richtigkeit besttigt hat. Eine ergebnisfreie kriminaltechnische Untersuchung ist wie bei jedem Verbrechen unverzichtbar, weil Irrtmer, Flschungen von Dokumenten und Bildern nicht zum vorneherein auszuschliessen sind. Das wiederholte Nacherzhlen wahlloser Vorkommnisse in Zeitschriften, Bchern und Fernsehsendungen allein, ist noch kein Beweis. Es wird doch jedem klar sein, dass Erzhlungen sich nicht einfach durch Wiederholung zu grsserer Beweiskraft summieren lassen.
Eine Untersuchung an den Tatorten durch Wissenschaftler verschiedener Disziplinen hat es bis heute nicht gegeben. Einer iranischen Gruppe, die den Holocaust untersucht, wurde kurzerhand die Einreise nach Polen verwehrt. Die einzigen wissenschaftlich-technischen Untersuchungen hat es bis heute ausgerechnet nur auf revisionistischer Seite gegeben.2 Doch ist es merkwrdigerweise verboten, ihre Untersuchungsergebnisse ffentlich zu diskutieren.
Die von Hoffmann-Riem vorgedachte neue, grundlegende Entscheidung hat das oberste Spanische Gericht bereits vorweggenommen. Das Holocaust-Leugnungsgesetz wurde im November 2007 aufgehoben. Das scheint jetzt andere Lnder in Zugzwang zu bringen. Schwer scheint sich damit besonders Deutschland zu machen. Doch Hoffmann-Riem nhert sich schon der Argumentation der hchsten spanischen Richter.
Diese liessen das Argument nicht gelten, dass das Bestreiten des Holocaust die Juden in ihrer Menschenwrde verletzen und ihre Existenz bedrohen wrde. Die drei Richter argumentierten, dass durch freie Meinungsusserung meistens irgend jemand bzw. irgendeine Gruppe verletzt wrde, das mache ja gerade die freie Meinungsusserung aus. Man knne das fundamentale Menschenrecht auf freie Meinungsusserung nicht von Befindlichkeiten einzelner oder bestimmter Gruppen abhngig machen, so die Richter.
Holocaust-Diskussionen drfen also fortan in Spanien nicht mehr als Straftat verfolgt werden. Was hindert die Schweiz, die sich dem Ausland gern als freiheitlichen Rechtsstaat aufspielt, das unklar formulierte Gesinnungsstrafrecht abzuschaffen?
Im Prozess gegen Ernst Zndel
Eine Demonstration vor etwa drei Jahren vor der kanadischen Botschaft in den USA fr Ernst Zndel war in einen Hinterhalt der JDL (Jewish Defense League) geraten und zusammengeschlagen worden. Leute, die fr sich selbst Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen, greifen zu Gewalt, wenn es um die Rechte anderer geht.
Gerichtsverhandlungen gegen Revisionisten sind in fast allen europischen Lndern fr die Vorstellung von Fairness und Gerechtigkeit vollkommen nutzlos. Die Strafurteile sind im voraus festgelegt. Im Urteil gegen Ernst Zndel verweigerte Richter Meinerzhagen die dokumentarischen und forensischen3 Beweisantrge seiner Verteidiger. Er begrndete die Ablehnung der Beweise mit dem sensationellen Eingestndnis, dass diese Holocaust-Verfolgungsprozesse auch dann stattfnden, wenn es den Holocaust gar nicht gegeben haben sollte. Es sei prozessual unerheblich, ob der Holocaust stattgefunden habe. Seine Leugnung msse in Deutschland auf jeden Fall bestraft werden.
Wie die Schlgerbande des JDL griff auch Meinerzhagen zur Gewalt. Nmlich zur staatlichen Gewalt seines weisungsgebundenen Richteramtes. Die Urteile werden nicht von den Richtern, sondern andernorts gefllt, noch bevor die Richter entschieden haben! Daher weg mit dem ARG.
Fussnoten
1 tatschlich, vorurteilslos oder unparteiisch
2 Durch den US-Gaskammerkonstrukteur Ing. Fred Leuchter und den deutschen dipl. Chemiker Germar Rudolf
3 gerichtlich, medizinisch