Sprache die geistige Identitt der Vlker
(ei.) Peter Schenk ist Norddeutscher und seit einiger Zeit Journalist bei der Basler Zeitung. Etwas verwundert habe ich in der Ausgabe vom 19. Februar 2009 seine Kolumne Mit Tschs statt Aadie zum Daig gelesen. Das Tschs ist, wie ich irgendwo gelesen habe, aus Norddeutschland (Berlin?) in die Schweiz gekommen.
Beim Tschs statt Aadie geht es um den Kampf unserer eigenen Werte, wie etwa die Basler Fasnacht, das Zrcher Sechseluten, das bernische Hornussenschiessen, die schweizerischen Volksmusiken und Volkstnze usw. Zu den eigenen Kulturwerten zhlen an vorderster Stelle unsere Dialekte. Deren Erhaltung ist nicht bedeutungslos. Denn wer seine Sprache verliert, verliert auch seine geistige Identitt. Sprechen ist immer Ausdruck von Fhlen und Denken. Fr vordergrndig Gleiches werden oft unterschiedliche Worte gebraucht, die der Sprechende unbewusst mit seiner geistigen Gefhlswelt verknpft. Ein Reisgericht bedeutet fr einen Deutschsprachigen etwas ganz anderes als una comida de Arroz fr den Spanier, obwohl es bersetzt dasselbe bedeutet. Und wer seiner Freundin e Maie mitbringt, schenkt ihr keinen Blumenstrauss. Verlust der eigenen Sprache geht immer auch mit dem Verlust der eigenen Volkszugehrigkeit einher. Der sprachlich Oberflchliche verkommt zum normierten Einheitsmenschen, zu dem er von der global gesteuerten Presse und Television fr eine global regierte Eine Welt durch Umerziehung gemacht wird. Nachfolgend sei daher ein wenig ausfhrlicher ber das baslerische Aadie (auch Adie) berichtet. Ein jeder wird in seinem Dialekt Vergleichbares finden.
Meine Vorfahren vterlicherseits stammen aus Epfenhofen, unweit der Schweizergrenze nrdlich bei Schaffhausen. Mtterlicherseits aus dem frher noch zu Deutschland gehrenden Rosheim bei Strassburg. Unsere Familie zhlt also nicht zum sogenannten Basler-Daig.
Dennoch kann ich mich gut erinnern, wie ich, meine Eltern und Geschwister von unseren Tanten, wie im guten Baseldeutsch blich, mit Adie, wie goot s der au? begrsst wurden (adie frz. adieu). Man muss also nicht, wie Schenk in seiner Kolumne meint, ins Ausland weibeln, um adie als Begrssung besttigt zu finden. Schon gar nicht kann man sich beim Adie auf die Franzosen berufen, denn der franz. Staat hatte bekanntlich die deutsche Sprache (das Elssserdeutsch) an den Schulen und am Radio verboten, wie heute an Schweizerschulen, sogar schon im Kindergarten, versucht wird, das Dialektsprechen zu unterdrcken, wenn nicht gar zu verbieten (geistige Umerziehung). Heute versuchen die Elssser ihren volkstmlichen Dialekt mit grosser Mhe zu retten. Ein Vorbild dafr ist der Mllhauser Radiosender Dreieckland (Dreyeggland), wo mit Ausnahme der Tagesnachrichten und Werbesendungen gepflegtes Elssserdeutsch gesprochen wird.
Mit Schenks unsinnigem Hinweis auf eine Annherung der Tschsler an den Daig wird unser Baseldtsch zum Gesptt gemacht. Ausgangs des 19. Jh. haben nmlich ausnahmslos alle Basler Baseldytsch (mit entrundeten Vokalen) gesprochen, nicht nur die Daiglemer. Denn nebst seinem Wortschatz und Vokalreichtum macht die Entrundung der Vokale das Besondere am niederalemannischen Dialekt aus, der heute leider nur noch von wenigen gesprochen wird.
Nicht, dass ich bermssig an den entrundeten Vokalen hnge (dytsch und dytlig, scheen Huus, scheeni Hyyser, bees Muul, beesi Myyler) ich spreche sie normalerweise nicht, weiss sie aber mhelos anzuwenden, genau wie heute noch die jungen Elssser, die in kleinen Drfern aufgewachsen sind. Viel schlimmer ist das Gestammel, das wir allenthalben auf der Strasse und sogar vom Radio Basilisk zu hren bekommen. Auch die Radio-Sprecher, die uns ein Vorbild sein sollten, wissen oft nicht zwischen mnnlichen und weiblichen Adjektiven zu unterscheiden. Sodann kennen sie die Mehrzahl vieler Wrter nicht mehr (Kanton statt Kantn) und sie verwenden die unbaslerische Endung lich (liederlich statt liederlig, Deppich statt Deppig usw. usf.). Oder das allerwelts Entschuldigung! wo wir doch das Exgsi (frz. excusez) dafr haben. Und anstelle von adie oder zumindest guete Daag und gueten Oobe das zrcherische Griezi. Eigentlich berrascht es, dass im unbaslerischen Griezi pltzlich die Entrundung auferstanden ist, denn gerundet msste es wie an der Limmat zuhause Grezi gesprochen werden. Nicht zu reden von den sonstigen Verirrungen (e grooses Kind statt e groos Kind) oder die falschen Satzstellungen, die tglich zu hren sind. Sogar die dem Baseldeutsch charakteristischen Vokallngen gehen verloren (schnner statt schner, grsser statt grser).
Leider trgt auch die Basler Zeitung zum Sprachniedergang bei, wenn sie jhrlich ihr unpassendes Herbstmesse verlauten lsst. Dass an der Weinmesse Weine verkauft werden, versteht sich von selbst. Wie aber an der Basler Herbstmesse der Herbst verkauft werden soll, ist mir bis heute ein Rtsel geblieben. Z Basel goot men an d Mss. Und vom Martinskirchturm luten d Mssgleggli die Messe ein und aus. Aber sicher nicht d Herbschtmssgleggli. Schrecklich! Zur Unterscheidung aller anderen Messen haben diese das Objekt ihrer Eigenschaft vorangestellt: Waren-, Uhren-, Schmuck, Weinmesse usw. Herbstmesse ist in Basler Ohren sprachlicher Unsinn. Fr die Mustermesse sagt ja auch niemand Frhjahrsmesse. Frher fand diese Ende Mrz, Anfang April statt. Seit einigen Jahren wird sie im Jahresrhytmus immer weiter vorverschoben.
Im brigen hat die Basler Zeitung sptestens seit dem Tod von Robert B. Christ nicht den kleinsten Finger zur Erhaltung der baselstdtischen Dialektsprache gerhrt. Christ hatte unter dem Pseudonym Glopfgaischt jeweils in der Samstagsausgabe der National Zeitung und nach deren Umbenennung noch wenige Jahre in der Basler Zeitung insgesamt ber tausend baseldyschi Kolumnen geschrieben. Christ war gelernter Kaufmann, arbeitete bei einer Bank und war nebenbei Konsul des Frstentums Monaco. Wie der frhere Zeitungstitel soll auch unser Dialekt verschwinden.
Nur ein Tag nach Schenks Kolumne berichtete dieselbe Zeitung auf Seite 2 heuchlerisch von den Sprachen, die auszusterben drohen. In der Schweiz wird das Alemannische als unsicher und das Rtoromanische als definitiv gefhrdet eingestuft. Robert B. Christ hatte sich mitunter in seinen Kolumnen als Sachkenner auch mit berzeugung fr das Rtoromanische engagiert. Fr gewisse Leute scheint es heute aber als kulturelle Bereicherung zu gelten, wenn Sprachen hausgemacht auszusterben drohen.
Den Baslern sei daher das Baseldeutsch-Wrterbuch und die Baseldeutsch-Grammatik von Rudolf Suter, beide aus der Christoph Merian Stiftung, empfohlen. hnlich wie diese gibt es Bcher fr andere Schweizerdialekte.
Warum schreibe ich hier vom Baseldtsch? Ich nehme meinen eigenen Dialekt stellvertretend fr andere Schweizerdialekte, ber die ich kein Urteil ablegen will, und auch nicht kann. Wichtig aber ist fr uns alle, dass wir zu unseren eigenen Wurzeln zurckfinden. Dabei spielen unsere Dialekte die wichtigste Rolle. Sprechen ist Denken und fhlen. Sie sind eng mit unserer Kultur verknpft. Wer seine Sprache verliert, verliert seine geistige Identitt und wird um so leichter fremdbestimmt.