Der Euro verstrkt die Probleme

Interview mit Prof. Dr. Wilhelm Hankel

Prof. Dr. Wilhelm Hankel, geboren 1929 in Langfuhr bei Danzig, war unter Karl Schiller Leiter der Abteilung Geld und Kredit im Bundesministerium fr Wirtschaft. Er lehrte unter anderem in Harvard, an der Georgetown University sowie in Berlin und Dresden. Zuletzt erschien von ihm Die EURO-Lge und andere volkswirtschaftliche Mrchen (Signum-Verlag, Wien, 2008).

Das Gesprch mit dem renommierten Wirtschaftswissenschaftler und Whrungsspezialisten Prof. Hankel fhrte Blaue Narzisse.de.

Blaue Narzisse: Sehr geehrter Herr Hankel, in der Jungen Freiheit (09/34) schreiben Sie: Mrkte sind gewissenlos, sie arbeiten fr den Einzelgewinn, nicht fr das Gemeinwohl. Adam Smith sah diese Eigenschaft eher im positiven Licht, was er mit seiner Idee der unsichtbaren Hand zur Sprache brachte. Mssen private Unternehmen denn nicht den Eigenvorteil an erste Stelle setzen, um erfolgreich zu sein?

Prof. Dr. Wilhelm Hankel: Adam Smith (17231790) berhmte Metapher wird unausrottbar falsch zitiert und gedeutet. Das ergibt sich schon aus dem Kontext im Buch IV seines epochalen Werkes ber den Wohlstand der Nationen. Die unsichtbare Hand des Marktes korrigiert dort die Fehlentscheidungen des Einzelnen wie des Staates. Sie ist weder Freibrief fr Staatsdirigismus noch schrankenlosen Privategoismus und schon gar keine Rechtfertigung fr ungezgeltes Gewinnstreben und die Masslosigkeit moderner Manager. Smith war kein Neoliberaler unserer Tage, sondern ein Liberaler seiner Zeit, ein Aufklrer. Bemerkenswert ist die bereinstimmung seiner Theorie der ethischen Gefhle mit seinem Zeitgenossen Immanuel Kants Metaphysik der Sitten. In beiden Werken geht es darum, dass die Freiheit des Einzelnen ihre moralische Grenze an der zu respektierenden Freiheit der anderen hat. Die soziale Einbindung der Marktwirtschaft ist Adam Smith zeitlose und immer wieder fehlinterpretierte Botschaft!

BN: Die momentane Kernschmelze des Wirtschafts- und Finanzsystems kam so berraschend wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wieso glauben Sie, hat kein konom die Symptome des nahenden Desasters erkennen knnen?

WH: Die Kernschmelze des globalen Finanzkapitalismus ist nicht vom Himmel gefallen. Sie hat sich lange angekndigt. Ich zeige in meinem Buch Die EURO-Lge und andere volkswirtschaftliche Mrchen (Wien 2008), wie lange schon. Es begann mit der Abschaffung des Weltwhrungssystems von Bretton Woods vor ber 30 Jahren (1971/73). Seitdem haben sich die Finanzmrkte dreifach abgekoppelt: von nationaler Aufsicht, von Bindung an reale Geschfte und Geldaufnahme beim Sparer. Im Niemandsland ihrer globalen Inter-Bank-Mrkte konnten sie aus ihren internen Schulden Kredite produzieren und mit diesen wild an Brsen und Immobilienmrkten spekulieren. Die daraus entstandenen Blasen waren allen bekannt. Nur schritt niemand ein, weder Zentralbanken, noch Rating-Agenturen noch konomische Nobelpreistrger. Auch dann nicht, als sich die Banken das bereits verspekulierte Geld durch verbriefte Wertpapiere (Derivate) zurckholten und dem Publikum andrehten!

Der tiefere Grund, warum niemand aufschrie oder einschritt, liegt im Geldschleier, der ber vielen wirtschaftlichen Transaktionen liegt oder gelegt werden kann. Nicht einmal die Zauberlehrlinge, die mit ihm ihre Geschfte machten, erkannten die Risiken fr sie selber und die Gesellschaft die sie damit eingingen.

BN: Die Kampagne Volksinitiative gegen das Finanzkapital des streitbaren Journalisten Jrgen Elssser hat Sie jngst fr eine Tagung gewinnen knnen. Knnten Sie fr uns bitte erlutern, welche Gegenstrategien die Kampagne vorschlgt und wie Sie diese bewerten?

WH: Was Herr Elssser vorhat, soll er Ihnen selber erklren. Ich habe auf seinem Forum meine Ansichten vertreten. Ich tue das auf jedem Forum, unabhngig vom Glaubensbekenntnis der Veranstalter. Denn zu Aufklrung und Verbreitung von Wissen gibt es in unserer komplizierten Gesellschaft keine Alternative.

BN: Zusammen mit Wilhelm Nlling, Joachim Starbatty und Karl Albrecht Schachtschneider klagten Sie 1997 vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Einfhrung des Euro. Wieso sehen Sie in der europischen Einheitswhrung ein Problem?

WH: Zur Einheitswhrung in Europa gehrt eine einheitliche (konvergente) Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der Mitgliedslnder. Dass diese nicht gewhrleistet ist und dass damit die vom Bundesverfassungsgericht (in einem frheren Urteil) selber fr unabdingbar erklrte Geschftsgrundlage der Whrungsunion brchig ist darauf hatten wir die Richter, aber auch ffentlichkeit und Politik mit unserem Memorandum zur Begrndung der Klage hingewiesen. Leider hat sich das Gericht seiner Pflicht entzogen und die Klage abgewiesen; es sei nicht dazu da, den Wahrheitsgehalt konomischer Theorien zu berprfen. Nach 10 Jahren Euro-Praxis liegt dieser Wahrheitsbeweis auf dem Tisch: 12 von 16 Eurostaaten stehen vor dem Bankrott und mssen von den noch leidlich gesunden (allen voran Deutschland) saniert werden. Entgegen ffentlichen Bekundungen, der Euro schtze Europa vor den schlimmsten Auswirkungen der Krise, verstrkt er die Probleme. Er hat aus konomisch schwachen Lndern innerhalb der Eurozone und vor ihrer Haustr in Osteuropa monetr starke oder als stark geltende Lnder gemacht. Diese Illusion ist jetzt geplatzt und die Rechnung fr diese Euro-Lge, die weitgehend private berverschuldung dieser Lnder, muss nun beglichen werden. Ohne den Euro wren diese Lnder nie zu diesen Krediten gekommen; denn auf schwache Whrungen leiht niemand Geld!

Herr Hankel,
wir danken Ihnen fr das Gesprch.

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