Bilderberger: Denkfabrik der Globalisten
Von Bernhard Radtke
Same procedure as every year? Nicht ganz. Denn die letztjhrige Zusammenkunft der Bilderberger, eines der wichtigsten Absprachegremien der globalen Finanz- und Polit-Oligarchie, fand deutlich mehr Aufmerksamkeit als frhere Konferenzen. Das Luxushotel Nafsika Astir Palace auf einer Landzunge nahe der griechischen Hauptstadt Athen bildete vom 14. bis 17. Mai 2009 die pompse Kulisse fr das Stelldichein der Reichen und Einflussreichen. Es war die 57. Konferenz der Gruppe, die ihren Namen von dem Hotel de Bilderberg im niederlndischen Oosterbeek hat, wo im Mai 1954 das erste Treffen stattfand.
Von Anfang an war Diskretion das oberste Gebot. Die Teilnehmer bewahren strenges Stillschweigen ber das, was auf den Konferenzen besprochen wird. Nur selten hat bisher ein Bilderberger sich nicht an diese Regel gehalten meist war dabei aber nur Belangloses zu vernehmen. In den etablierten Medien ist trotz der Prsenz auserlesener Verleger und Journalisten traditionell keine Zeile zu lesen und kein Bild zu sehen von dem illustren Zirkel. Und das, wo doch sonst Reporter, Kameraleute und Fotografen bei jeder Gelegenheit wie eine Horde Hynen ber die Orte herfallen, wo sich Prominente in glamoursem Ambiente zusammenfinden.
Abgesichert wie Fort Knox
Von einem Geheimtreffen kann freilich auch nicht die Rede sein, denn im Anschluss an die Konferenz verffentlicht das in den Niederlanden ansssige Organisationsbro immerhin eine kurze Pressemitteilung sowie eine Liste der Teilnehmer. Nach der offiziellen Aufstellung haben dieses Jahr 127 hochrangige Gste teilgenommen, darunter die Kniginnen der Niederlande und Spaniens, Finanzmagnat David Rockefeller, Weltbank-Prsident Robert Zoellick, NATO-Generalsekretr Jaap de Hoop Scheffer, Pascal Lamy (Generaldirektor der Welthandelsorganisation), der Schweizer ehem. Bundesrat Dr. Christoph Blocher, Richard Perle und Paul Wolfowitz vom neokonservativen American Enterprise Institute, Jean-Claude Trichet (Chef der Europischen Zentralbank) sowie der ehemalige Vorsitzende der Federal Reserve (US-Notenbank) und jetzige Obama-Chefberater in Wirtschaftsfragen Paul A. Volcker. Nicht auf der Liste diesmal der Dauer-Teilnehmer Henry Kissinger, der neben Rockefeller als zentrale Figur hinter den Bilderberg-Treffen gilt, aber mit 86 Jahren wohl etwas an Reiselust verloren hat.
ble Erfahrungen
Unbemerkt konnte der letztjhrige Termin schon durch die ebenso aufflligen wie aufwendigen Abschirmungs- und berwachungsmassnahmen vor und whrend der Tagung nicht bleiben. Mit Maschinengewehren bewaffnete Sicherheitskrfte an der Zufahrtstrasse zum Hotel, massive Polizeiprsenz, Schiffe der US-Marine und Schnellboote der Kstenwache sowie Taucher, die die Seeseite kontrollierten, in der Luft Helikopter und F-16-Kampfflugzeuge das war schwerlich zu bersehen. So fanden sich diesmal nicht nur kritische Aussenseiter, sondern auch einige Vertreter etablierter Medien vor Ort ein, um Informationen oder Schnappschsse zu erhaschen. Protestiert wurde auch: Die griechischen Kommunisten sowie die rechtsorthodoxe LAOS-Partei organisierten Kundgebungen mit einigen hundert Teilnehmern.
Alles sehr zum Missfallen der Bilderberger, denen es bisher noch immer gelungen war, in einem Bannkreis rund um ihren Tagungsort demokratische Rechte wie Presse- und Meinungsfreiheit ausser Kraft zu setzen. Mindestens acht Journalisten wurden diesmal zeitweise inhaftiert, darunter Charlie Skelton, der fr den britischen Guardian mit einem Schuss Humor von dem illustren Meeting berichten sollte. Nachdem er am Vortag der Konferenz nur ein Landschaftsfoto geschossen hatte, wurde er schon verhaftet und musste einige Stunden auf der Wache verbringen; nach seiner Entlassung war er weiterhin stndiger Verfolgung und Beschattung durch mehr oder weniger unauffllige Polizisten und Sicherheitskrfte ausgesetzt. In einer ganzen Serie vermittelte der Reporter im Guardian ein lebendiges Bild vom Ausmass der Einschchterung und Drangsalierung, das er in Griechenland erleben musste. Von hnlichen Erfahrungen knnen Beobachter vergangener Bilderberg-Treffen ebenfalls ein Lied singen.
Ohne Einfluss auf Regierungen?
Im Zentrum des Interesses stand natrlich auch in diesem Jahr die Frage, mit welchen Themen sich die erlauchte Gesellschaft auf ihrer Konferenz beschftigt hat. Die offizielle Pressemitteilung hat dazu ausser ein paar banalen Stichworten wie Finanzkrise, Regierungen und Mrkte, USA und die Welt, Cyber-Terrorismus, Protektionismus nichts zu sagen. Mehr will der langjhrige Bilderberg-Beobachter und Buchautor Daniel Estulin wissen. Aus einem Papier, das den Teilnehmern vorab zugegangen sei, gehe hervor, dass die Weltwirtschaftskrise im Fokus der Konferenz stehe. Zwei Szenarien seien denkbar: entweder eine lange Depression, die die Welt fr Jahrzehnte zu Stagnation, Verfall und Verarmung verdammt oder eine intensive, aber krzere Depression, welche einer nachhaltigen Weltwirtschaftsordnung den Weg bahnt, mit weniger Souvernitt, dafr aber hherer Effizienz.
Wenn knapp 130 [selbsternannte] Spitzen-Entscheidungstrger fr einige Tage hinter den verschlossenen Tren einer Luxusherberge die zentralen Themen der Weltpolitik und Weltwirtschaft diskutieren, drngt sich die Frage nach dem Stellenwert der Gruppe auf. Ist sie tatschlich nur ein kleines, flexibles, informelles internationales Forum, auf dem verschiedene Standpunkte ausgetauscht und das gegenseitige Verstndnis verbessert werde, wie uns die Pressemitteilung weismachen will? Hat der Ausschluss der ffentlichkeit wirklich nur damit zu tun, dass eine freie und offene Diskussion ermglicht werden soll? Und was bedeutet diese Formulierung im Umkehrschluss? Werden tatschlich keine Beschlsse gefasst?
Typische Kosmopoliten
David Rockefeller, graue Eminenz der Bilderberger und nach eigenem Bekenntnis ein stolzer Internationalist, weist alle Mutmassungen ins Reich der Spekulation: Das mit der Verschwrung ist kompletter Unsinn. Wir sitzen zusammen und diskutieren. Bilderberg ist eine Gruppe von Leuten, die sich um die Welt Gedanken machen und glauben, dass der Privatsektor eine wichtige Rolle dabei spielen kann, die Zeitlufe [die von ihnen gesteuert werden] besser zu verstehen. Wir haben niemals versucht, Regierungen zu beeinflussen (Interview mit der Sddeutschen Zeitung, 1.4.2008).
Fragt sich, weshalb dann hchste Reprsentanten aus Politik und Regierungen rund ein Drittel der Konferenzteilnehmer bilden. Letztes Jahr informierte allein die Finnische Regierung per Pressemitteilung darber, dass Premierminister Matti Vanhanen und sein Finanzminister Jyrki Katainen an dem Treffen teilnahmen. Ein Ausnahmefall. Die Regel ist, dass auch die redseligsten Politiker pltzlich sehr wortkarg werden, wenn es um ihre Verbindung zu den Bilderbergern geht. So wie der sterreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SP), der sich in Begleitung von zwei Spitzenbankiers und des Herausgebers der linken Tageszeitung Der Standard Oscar Bronner auf den Weg nach Griechenland machte. Doch sdlich der Alpen gibt es zumindest eine neugierige Opposition. Die FP-Fraktion hat zu dem Thema eine detaillierte parlamentarische Anfrage an die Regierung gerichtet, auf deren Antwort man gespannt sein darf. Auch das BZ will Auskunft haben.
Schon die Person Bronner macht universelle Querverbindungen deutlich: Der Sohn einer emigrierten jdischen Familie, 1943 im damals palstinensischen, heute israelischen Haifa geboren, hat lange Zeit in New York gelebt. 1988 grndete er in Wien den Standard mit finanzieller Hilfe des konservativen deutschen Springer-Verlages. Spter stieg ersatzweise die linke Sddeutsche Zeitung ein. Zu Bronners Freundes- und Untersttzerkreis zhlt der steinreiche zeitweilige tschechische Aussenminister Karl Johannes Frst zu Schwarzenberg, der zudem die schweizerische Staatsbrgerschaft besitzt. Er war zeitweilig bei der VP auch als sterreichischer Aussenminister im Gesprch. Ins Prager Aussenamt kam er 2007 als Kandidat der Grnen. Schwarzenberg ist offenbar berall und nirgends zu Hause, betreibt da wie dort eintrgliche Geschfte und entspricht damit exemplarisch, hnlich wie Bronner, dem Bilderberger-Zukunftsmenschen [!]. Dass er vehement fr die Westbindung der Tschechei und fr die Nato-Osterweiterung eintritt, versteht sich von selbst.
Hierzulande hat sich zumindest die Abgeordnete Gesine Ltzsch (Die Linke) gegenber der Zeitung Junge Welt zu der Aussage durchgerungen, die Bilderberg-Konferenz im Bundestag ansprechen zu wollen. Hoffnung auf aussagekrftige Informationen macht sie sich dabei realistischerweise wenig. Denn alle Besucher sind so die offizielle Lesart als Privatpersonen auf der Konferenz und bezahlen ihre Auslagen aus eigener Tasche. Da kann sich die Regierung leicht auf Nicht-Wissen und Nicht-Zustndigkeit berufen. Aus Deutschland standen dieses Jahr auf der Teilnehmerliste: Roland Koch (hessischer Ministerprsident), Eckart von Klaeden (aussenpolitischer Sprecher der CDU/ CSU), der jdische Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Thomas Enders (Airbus-Vorsitzender), Peter Lscher (Siemens-Vorsitzender) und Matthias Nass (stellvertretender Chefredaktor der Zeit). Ackermann, von Klaeden und Nass waren bereits 2008 in Virginia (USA) dabei. Eine Stellungnahme zu ihrem Griechenland-Ausflug ist von keinem der sechs bekannt.
Die ritualisierte Geheimniskrmerei weckt Neugier, beflgelt die Phantasie und lsst Spekulationen aufkommen, die zuweilen weit ber das Ziel hinausschiessen. Das knnte auch Kalkl sein. Denn wo berechtigte Skepsis berzogen wird, ins Unserise oder gar Wahnhafte abgleitet, fllt es um so leichter, die Kritik insgesamt zu diffamieren und alle Kritiker als Spinner oder Verschwrungstheoretiker lcherlich zu machen. Aber wenn eine geheime Weltregierung sich schon nicht mehr geheimhalten lsst, wird mit Blick auf den ffentlichen Wirbel im Internet-Magazin Telepolis gespottet. Es stimmt schon: Man muss die Kirche im Dorf lassen.
Den Euro vorgeplant
Das heisst aber nicht, auf die Verharmlosungen la Rockefeller hereinzufallen. Mehrere Tage mit der Teilnahme an einer unverbindlichen Plauderrunde zu vergeuden, ist den meisten der bei den Bilderberg-Treffen versammelten globalen Fhrungskrfte kaum zuzutrauen. Eliteforscher Michael Hartmann verweist auf die zahlreichen informellen Treffen zwischen Spitzenpolitikern und Wirtschaftsfhrern, von denen die ffentlichkeit in der Regel auch nichts erfhrt. Sein Fazit: Je enger die Kooperation von wirtschaftlichen und politischen Eliten ausfllt, um so grsser ist die Gefahr, dass politische Entscheidungen zugunsten der Wirtschaft und der Reichen ausfallen.
Was heisst das schon, dass auf den Konferenzen angeblich keine Resolutionen verabschiedet oder Empfehlungen abgegeben werden? Augenscheinlich wirkt der Einfluss Bilderbergs ber andere Kanle. Bilderberg-Ehrenvorsitzender und Vizechef des belgischen Energieriesen Suez-Tractebel Etienne Davignon brstete sich erst im Mrz gegenber dem EUobserver damit, dass die Einfhrung des Euro detailliert im Bilderberg-Kreise diskutiert und vorgeplant wurde. Bilderberg-Kenner Andreas von Retyi nennt die Konferenz im spanischen La Toja 1989 als Ausgangspunkt: Auf diesem spanischen Treffen deuteten sich bereits erste Anzeichen fr eine neue Whrung an, die 1999 augenscheinlich zur besseren Akzeptanz zunchst als Buchgeld eingefhrt und dann 2002 auch als Bargeld in Umlauf gebracht wurde.
So ganz folgenlos scheinen also die alljhrlichen Bilderberg-Kaffeekrnzchen doch nicht zu sein. Und berall da, wo sich Mchtige und Einflussreiche hinter verschlossenen Tren treffen, um fernab demokratischer Legitimierung politische Weichen zu stellen, die ihnen selber nutzen, aber den Vlkern schaden, lohnt ein genaueres Hinschauen allemal.
Quelle:Nation & Europa 78/2009