Mtter in Erzwingungshaft
Eva Herman
Es ist ein unglaublicher Skandal, der sich derzeit im nordrhein-westflischen Salzkotten ereignet, der von den Massenmedien jedoch weitgehend unter den Tisch gekehrt wird: Dort werden Mtter mehrerer Kinder tagelang in Erzwingungshaft genommen, weil sie ihre Kinder nicht am Sexualkundeunterricht der Schule, mit dessen Inhalten sie nicht einverstanden sind, teilnehmen lassen! Leben wir Deutsche inzwischen in einer Diktatur? Oder wie anders soll man das bezeichnen, was sich dort ereignet?
Vor wenigen Tagen wurde Frau D., Mutter von acht Kindern, aus dem Gefngnis der JVA Gelsenkirchen entlassen: Acht Tage hatte sie dort zugebracht. Frau E., Mutter von vier Kindern, kam mit sechs Tagen Erzwingungshaft davon. Die Baptistenfrauen (evang. Konfessionsfamilie) wurden zur Erzwingungshaft verurteilt, nachdem sie ein Bussgeld in Hhe von jeweils 250 Euro vorstzlich nicht gezahlt hatten. Die Frauen lehnten dies ab, weil sie sich keiner Schuld bewusst waren. Eine von ihnen war brigens schon zum zweiten Mal im Gefngnis; bereits im Februar musste sie wegen derselben Vorwrfe einsitzen, weil sie ein lteres ihrer Kinder nicht zum Sexualkundeunterricht geschickt hatte. Zuvor hatte man die Ehemnner der Frauen eingesperrt, einen sogar zum zweiten Mal, ohne dass die Erzwingungshaft den gewnschten Erfolg, nmlich die Zahlung des Bussgeldes, gehabt htte. Der Begriff Bussgeld erhlt hier nmlich eine besondere Bedeutung, denn die Eltern weigern sich, Busse zu tun fr etwas, was ihnen ihr Gewissen doch anders vorgibt. Weitere Verfahren stehen noch an, in denen sie mit zustzlichen Erzwingungshaftverordnungen bedroht werden, denn auch die nachrckenden Kinder werden von den Eltern nicht zum Sexualkundeunterricht geschickt werden.
Dem Staat passt soviel Eigenstndigkeit von Eltern nicht. Er greift ein! Er zeigt den Unbeugsamen, wo der Hammer hngt: Auch die Geldbussen wurden in den letzten zwei Jahren stndig erhht. Ist es Willkr? Fast knnte man dies annehmen, in einem Fall stieg die Geldstrafe innerhalb von zwei Jahren von einst 250 auf inzwischen 1000 Euro! Auch die Anzahl der Gefngnistage wchst: Bei einigen Familien, deren Mtter bereits mehrfach inhaftiert worden waren, mssen nun wieder die Vter ran; sie kommen aber nicht mehr mit einer Woche Haft davon, sondern in drei Fllen wurden jetzt Erzwingungsstrafen von 20 bzw. 40 Tagen angeordnet!
Wohlgemerkt: hier ist nicht etwa die Rede von einem generellen Fernhalten der Kinder von der Schule. Sondern es geht um einzelne Schulstunden, einige Sachkundeunterrichtsstunden, die fr das Thema Sexualaufklrung vorgesehen sind.
Die glubigen Baptistenfamilien haben in aller Regel mehrere Kinder, die sie nach ethisch und moralisch klaren Vorstellungen und Regeln erziehen: Sie versuchen vor allem, jegliche Frhsexualisierung der Kinder zu vermeiden, sie mchten sie ebenso nicht mit pornografischen und sexuell freizgigen Inhalten konfrontieren, die ihrer Reife nicht entsprechen. Ihre Lebensformel heisst Reinheit, vor allem auch Keuschheit bis zu Ehe. Die Betroffenen dazu in der Anhrung im Bussgeldverfahren:
Sexualitt ist bei uns kein Tabuthema, aber wir lehren unsere Kinder ein biblisches Sexualverhalten der Schamhaftigkeit, Keuschheit und dass Sexualitt ausschliesslich in die Ehe gehrt. Diese Erziehung schtzt sie vor Machtmissbrauch. Durch diese Erziehung wissen die Kinder, was richtig ist. Sie wissen damit, dass jeder Mensch der ihnen sexuell naht, dies nicht in bereinstimmung dessen tut, was Gott und die Eltern wollen
Die Familien sind in ihrer Haltung eigentlich umfassend durch das Bundesverfassungsgericht bzw. durch das Grundgesetz geschtzt. Das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass die Sexualerziehung in erster Linie Aufgabe der Eltern ist und nicht die des Staates. So sind die hchsten Richter des Landes der Ansicht, dass die Schule mit ihrer Sexualerziehung anders als andere Unterrichtsfcher in die Intimsphre des Kindes (Art.1 und 2 GG), in das Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 II Satz 1 GG) und in die Familie eingreift. Das Bundesverfassungsgericht hat daher auf die Notwendigkeit eines engen, vertrauensvollen Zusammenwirkens von Schule und Elternhaus zum Wohle des einzelnen Kindes hingewiesen. Denn gegenstzliche Erziehung schadet dem Kindeswohl.
Von einem engen, vertrauensvollen Zusammenwirken von Schule und Elternhaus kann in der katholischen, staatlichen Liboriusschule in Salzkotten, welche von den Kindern der Familien D. und E. besucht wird, auf diesem Gebiet schon lange nicht mehr die Rede sein. Die Vorgaben der hchsten Richter scheinen die Schulleitung wenig zu stren. Obwohl es ausdrcklich heisst, dass die Schule das natrliche Erziehungsrecht der Eltern und deren religise oder weltanschauliche berzeugungen, soweit dies fr das Gebiet der Sexualitt von Bedeutung sind, zu bercksichtigen hat, geschieht das in der Liboriusschule nicht. Warum muss man aufs Recht achten, wenn man selbst eine ganz andere Meinung hat?
Bei der inzwischen ber fnf Jahre dauernden Auseinandersetzung zwischen Eltern und Schulleitung geht es um schulische, emanzipatorische Sexualerziehung, wozu unter anderem das Theaterstck Mein Krper gehrt mir gehrt, was die Eltern aus Gewissensgrnden nicht akzeptieren knnen. An der Schule lsst man das Theaterprojekt, trotz zum Teil heftigsten Protestes, seit Jahren im Rahmen des Sexualkundeunterrichts dennoch immer wieder auffhren. Zur Erklrung heisst es, diese Vorstellung solle der Vorbeugung des Kindesmissbrauches dienen. Da mag vielleicht auch etwas dran sein, und die Auffhrung wird auch in anderen Schulen regelmssig gezeigt. Doch nicht jeder ist mit den Inhalten einverstanden. Denn bei einem kritischen Blick wird schnell klar, dass hier gegen ethische und moralische Vorstellungen, wenn man sie denn wirklich ernst nimmt, durchaus verstossen wird. Die betroffenen Eltern jedenfalls halten die Erziehung durch das Theater fr ausschliesslich ideologisch im Sinne der Weltanschauung der Emanzipation. Damit ist gemeint, dass jedes Kind (hier geht es um das Alter acht bis zehn Jahre) emanzipiert genug sein solle, um darber zu entscheiden, ob ihm Sex etwa Spass mache oder nicht. Wenn es keinen Lustgewinn davontrage, sei dies ein Nein-Gefhl, doch wenn es Spass mache, drfte es auch ruhig Ja dazu sagen. berspitzt formuliert, knnte man hier tatschlich gar eine Aufforderung zum sexuellen Missbrauch erkennen, denn den Kindern wird vermittelt, dass ihr Krpergefhl ber elterliche Richtlinien gestellt wird. Da man bereits einen Sugling sexuell stimulieren kann, er jedenfalls krperliche Reaktionen darauf zeigt, ist es auch bei einem Schulkind kein Kunststck, sexuelle Gefhle herzustellen, die ihm sogar gefallen knnten. Dass dieses Alter jedoch eindeutig zu frh ist, muss wohl nicht erlutert werden. Schon Sigmund Freud warnte vor den zerstrerischen Folgen sexueller Stimulierungen von Kindern: Kinder, die sexuell stimuliert werden, sind nicht mehr erziehungsfhig, die Zerstrung der Scham bewirkt eine Enthemmung auf allen anderen Gebieten, eine Brutalitt und Missachtung der Persnlichkeit des Menschen. Man muss nicht ausgewiesener Freudianer sein, um diesen Gedanken nachvollziehen zu knnen. Die gesellschaftlichen Folgen einer frhsexualisierten Jugend sind derzeit bereits berall fhl- und sichtbar geworden.
Die schulische Sexualerziehung bringt die frommen Familien aus Salzkotten und Paderborn in einen Gewissenskonflikt, der glaubhaft ist, wie ein bereits ergangenes Gerichtsurteil feststellte. Worum es ihnen genau geht, lsst sich durch eine Anhrungsaussage der Eltern erlutern: Die atheistische und emanzipatorische Ideologie dieses Projektes teilen wir nicht. Wir lehnen es ab, dass sie (die Kinder) mit Jung und Alt Sex haben knnen, wenn ihr Gefhl Ja dazu sagt. Die tatschlich ausschliesslich emanzipatorische Erziehung dieses Theaterprojekts zeigt sich bereits an dem die ganze Veranstaltung sich durchziehenden Titelsong, der, einer Gehirnwsche gleich, sieben Mal gesungen wird und der den Kindern die wichtigsten Kernaussagen dieser Veranstaltung in Liedform zusammenfasst. In der zweiten Strophe heisst es:
Wenn ich berhrt werde, weiss ich wies mir geht! / Mein Gefhl, das ist echt, mein Gefhl hat immer recht. / Nein zu sagen, stark zu bleiben, ist oft schwer, / doch ein Nein-Gefhl sagt mir: Ich will das nicht mehr! |
Die Rechtsanwltin der Familien ist nach jahrelangem Kampf entsetzt ber die Dickhutigkeit von Amt und Schule. Sie stellt fest, dass es hier lngst nicht mehr um das Wohl der Kinder zu gehen scheint. Es handelt sich also einerseits um einen Kampf zwischen dem staatlichen Erziehungsauftrag (Schulpflicht), der grundrechtlich nicht abgesichert ist, und andererseits dem natrlichen, grundrechtlich gewhrleisteten Erziehungsrecht der Eltern. Zu dem umstrittenen Theaterprojekt fhrt die Juristin aus: Die Botschaft, um dem sexuellen Missbrauch vorzubeugen, ist danach fr das KIND (zwischen acht bis zehn Jahren) folgende:
l |
Mein Krper gehrt mir allein Ich bestimme ber meinen Krper ausschliesslich selbst. |
l |
Ich gebe auf mich selber Acht. Mein Massstab gegen sexuellen Missbrauch ist mein Gefhl: Mein Gefhl, das ist echt, mein Gefhl hat immer Recht! |
l |
Das Kind wird durch diese Sexualerziehung von der elterlichen Erziehung und somit auch von der elterlichen Frsorgepflicht im Bereich der Sexualitt abgeschnitten. Weder seine Eltern noch sonst jemand haben ihm in diesem Bereich etwas zu sagen. (Es glaubt also, seine Gefhle seien wichtiger als moralethische Erziehungsrichtlinien.) |
l |
Das Kind wird von jeglicher Sexualethik emanzipiert. Fr das Kind gilt die sexuelle Libertinage, die sich ausschliesslich an seinem Gefhl also der Lust orientiert. |
l |
Das ist emanzipatorische Sexualerziehung, wie sie eindeutiger und radikaler nicht vertreten werden kann. |
Von Eva Herman ist ein neues Buch erschienen Die Wahrheit und ihr Preis (Meinung, Macht und Medien), Kopp-Verlag. 19,95 Euro. Auch die Schweizer Medien nahmen dies einmal mehr zum Anlass, Eva Herman anzufeinden.