Eidgenossenschaft
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von Ernst Indlekofer
Die Stimmbeteiligung geht tendenziell immer weiter zurck. Dies weist darauf hin, dass die gesellschaftspolitischen Unzulnglichkeiten immer inakzeptabler werden. Das Vertrauen in die Regierung schwindet. Die Minimalbeteiligung ist von 51,9% (1950) auf 32,3% (1991) zurckgegangen, und die Maximalbeteiligung fiel von 80,5% (1933) auf 52,5% (1992) zurck. Die Nationalratswahlen verzeichneten einen kontinuierlichen Rckgang von 80,4% (1919) auf 48,3% (2007) mit einem Tief von 42,2% im 1995.
Die Vorstandsmitglieder des Presseclubs Schweiz und unsere Abonnenten und Vereinsmitglieder sind zweifellos Anhnger unserer Volksdemokratie. Diese von uns Brgern gelebte Demokratie mit ihren Wahlen, ihrer unverzichtbaren Stimmbeteiligung und der Mglichkeit des Gesetzesreferendums und der Volksinitiative ist weltweit einzigartig. Die Vorteile unseres politischen Systems sind beschtzens- und erhaltenswert. Nicht vergebens nennt sich unsere Zeitschrift im Untertitel Fr die Zukunft der Schweiz.
Aber Achtung! Leider wird unser politisches System von einer Superelite von Geldaristokraten, die dem unendlichen Wirtschaftswachstum verhaftet sind bedenkenlos zum eigenen Vorteil missbraucht. Wo das Geld regiert, verzichtet das Volk auf Stimmbeteiligung, weil es nicht gegen das Kapital ankmpfen kann. Diese Machtverschiebung, die lngst zu einem 36-Prozent-Souvern gefhrt hat, ist zugunsten einer wahrhaften Volksdemokratie wieder ins Lot zu bringen. Die einzig erfolgversprechende Massnahme ist, die Parlamentszugehrigkeit vom Verzicht auf Verwaltungsratsmandate abhngig zu machen. Verwaltungsrte sind nmlich die gut geschmierten Erfllungsgehilfen einer Oberschicht von maximal drei Prozent der Bevlkerung.
Wir haben in einer frheren Ausgabe von darauf hingewiesen, dass in den Ursprungsjahren der Schweiz unser politisches System nicht Demokratie genannt wurde. Dieses Wort und das damit bezeichnete Regierungssystem wurde unserem Bewusstsein erst spter eingeprgt, eingeschleust wie mit einem Trojanischen Pferd, deren heimlich hinter die Stadttore gebrachten Frsten wir seit jener Zeit wieder wie weiland Gessler zu huldigen haben.
Wenn in der frhen Eidgenossenschaft jemand nach dem Name des politischen Systems gefragt htte, wre ihm geantwortet worden: Sieh unsere Talgenossenschaften und in den Stdten die Handwerkerznfte. In allen Tlern und Gemeinden treffen die Brger regelmssig zusammen, whlen ihre Anfhrer und stimmen ber Vorschlge ihrer Ratsherren und ber den gemeinsamen Haushalt ab. Die Gewhlten sorgen pflichtgemss fr das Wohl ihrer Untertanen, der Brger und deren Familien in Stadt und Land. Keiner von uns duldet fremde Richter. Aus den Tlern wurden die fremden Gessler vertrieben und in den Stdten schloss man nachts die Tore, damit sich weder Diebes- noch Mrderbanden einschleichen konnten.
Viele Handwerker schlossen sich mit der Zeit in gemeinsamen Betrieben zusammen. Aber auch durch Einzelinitiativen entstanden prosperierende Unternehmen. Stellvertretend seien hier Nestl; Geigy; Ciba; Brown, Boveri; Hoffmann-La Roche; Sandoz; Gebr. Sulzer; Maschinenfabrik Oerlikon; Bhrle und die C.F.Bally genannt. Fast alle wurden in der zweiten Hlfte des 19. Jh. gegrndet.
Der Wohlstand der Brger wuchs und die ersten Banken kamen auf. Die reichen Unternehmer vertrauten diesen ihr Geld zur Aufbewahrung an: Basler Privatbankiers grndeten den Schweizerischen Bankverein, Zrcher Industrielle die Schweizerische Kreditanstalt. Noch bis vor kurzem waren diese zwei Geldhuser weltweit als ehrwrdige Banken bekannt.
An dieser Stelle sei die 1913 gegrndete US-Staatsbank erwhnt, nmlich die Federal Reserve Bank, deren Kapital und Entscheidungsmacht sich vollstndig in privaten Hnden befinden. Die Grndung des FED war der Beginn des parasitren Kapitalismus. Nach dem Ersten Weltkrieg war das Wort Demokratie bald in aller Munde, verbreitet durch die vom Finanzkapital beherrschte Presse. Die herrschenden Krfte lobten die Demokratie und verglichen sie mit dem Marxismus. Beide sind aber bloss die Kehrseite derselben Medaille. US-Grosskapitalisten wie Rockefeller und Armand Hammer waren in der UdSSR gern gesehene Staatsgste.
Hinter den Kulissen plante zu jener Zeit Oberst Mandell House, persnlicher Berater von Woodrow Wilson und spter von Roosevelt fr die ehrenwerten Privatbankiers der Morgan Rockefellergruppe minutis den Ersten Weltkrieg. Dieser Krieg brachte der Hochfinanz zwischen dem 1.Januar 1916 und Juli 1921, als die industriellen Kriegsaktivitten endgltig eingestellt wurden, einen Kriegsgewinn von 38Milliarden Dollar, schrieb Ferdinand Lundberg 1937 in Americas Sixty Families (Amerikas sechzig Familien), New York, Vanguard Press. Die Details dazu knnen bei G.Edward Griffin in seinem Werk Die Kreatur von Jekyll Island (Untertitel: Die US-Notenbank Federal Reserve Das schrecklichste Ungeheuer, das die internationale Hochfinanz je schuf, Kopp Verlag, D-72108 Rottenburg, 2006) im Kapitel 12 (S.269 ff) wie folgt nachgelesen werden:
Amerikanischen Schulkindern wird beigebracht, Uncle Sam sei in den Krieg gegangen, um die Welt sicher zu machen fr die Demokratie (!). Mit Hilfe des Federal Reserve Systems, schreibt Griffin, war das Bankenkartell in der Lage, [aus Nichts] Geld fr Frankreich und England zu schaffen, damit diese beiden Nationen das Geld den amerikanischen Banken zurckzahlen konnten , genauso wie dies erneut im Zweiten Weltkrieg geschah [womit sie den 2. WK mglich gemacht haben!] und dann wieder zu Zeiten des grossen Bailouts in den 1980er und 1990er Jahren.
Einer der fhrenden Nationalsozialisten der ersten Zeit, Gregor Strasser, schon 1932 von allen Parteimtern zurckgetreten, dann aber 1934 dennoch Hitlers Suberung nach dem Rhm-Putsch zum Opfer gefallen, erklrte anlsslich seiner Rede am 9. Juli 1924 im Bayerischen Landtag:
Die ganze Geschichte der letzten 100 Jahre zeigt, dass diese sogenannte Demokratie nichts war als eine verschleierte Maske der grosskapitalistischen Herrschaft In fortlaufender Entwicklung sehen wir, dass die Staatsmacht immer mehr umstrickt und beeinflusst wird von rein privatkapitalistischen Syndikaten und Brsenherren Whrend frher der unternehmende Kaufmann und der arbeitsame Unternehmer, also der produktiv Ttige, den wirtschaftlichen Wandel der Dinge beeinflusste, geht dieser Einfluss jetzt immer mehr auf einige wenige Vermittler-Zentralen, die Brsen und die grssten Trustbildungen ber, der Vermittler wird Herr ber den Erschaffer, die unsittliche Geldherrschaft ist damit vollendet.
Bald 90 Jahre nach Strassers Rede schreibt unser Freund G.-A. Amaudruz (Case postale 5694, 1002 Lausanne) im 65. Erscheinungsjahr seines franzsischsprachigen Bulletins fr eine neue Europische Ordnung Courrier du Continent, Ausgabe Nr. 527, Januar/Februar 2011:
Heute dauern die Probleme weiter an und die Demokraten feilen daran, das Idol ihres Kultes aufrechtzuerhalten. Die Demokratie fllt von ihrem Sockel und nimmt den Platz wieder ein an der Seite, und nicht ber den vielen Lehrmeinungen.
Zuerst einmal: 51 Prozent der Whler recht zu geben (in Wirklichkeit 50 Prozent plus einer Stimme) kann zu Misserfolg oder sogar zu einem schweren Unglck fhren, da ja nur eine Minderheit ber immer schwierigere und komplexere Fragen herrscht. Und die zu fllenden Entscheidungen, vor allem, wenn sie von der ffentlichkeit Opfer oder weiter nichts als Einschrnkungen fordern, werden nicht von der grossen Anzahl der Stimmenden untersttzt. Selbst wenn wir annehmen, die grosse Anzahl sei gut beraten, gilt das Verfahren nur fr die direkte Demokratie, die nur in kleinen Gemeinschaften mglich ist. Was die reprsentative Demokratie angeht: je zahlreicher ein Volk ist, um so weniger reprsentieren die Gewhlten die Whler. Im Ergebnis finanzieren die bekannten oder verborgenen Krfte die politischen Kmpfe, die um so teurer sind, je grsser das Land ist. In Anbetracht der Grsse der Vereinigten Staaten wird die politische Macht fast total von den Financiers in Beschlag genommen.
In der globalisierten Welt, der nach dem sich ankndigenden Zusammenbruch der USA, auch aus anthropologisch gesellschaftlichen Grnden, keine lange Zukunft beschieden sein wird, muss es darum gehen, den plutokratischen und parasitren Organisationen die Vertrge aufzukndigen. Der IWF (Internationaler Whrungsfonds) kndigte 1995 noch an, er sei auf die Steuerung der globalen Finanzpolitik vorbereitet und er plane die Schaffung einer Weltwhrungseinheit. Der Beitritt der Schweiz zum IWF, zur UNO und zum Schengen-Abkommen waren krasse Fehlentscheide. Desgleichen die knappe Zustimmung zum Antirassismusgesetz, weshalb auch die UN-Rassismuskonvention zu kndigen und die ARG-Strafnorm ersatzlos zu streichen ist. Die SVP hatte Ende 2006 lauthals angekndigt, solches zu tun. Sie hat sich aber nicht an ihre Ankndigung gehalten.
Was Gesamteuropa betrifft, so mssen die Vergesellschaftung der verschtteten Volksdemokratien vorangetrieben und die Einzelstaaten als Reprsentanten ihres jeweils Volksganzen wiederhergestellt werden. Die Nationalstaaten sind von den Interessen der wirtschaftlichen Macht zu trennen. Arbeitsloses Leih- und Zinsgeld sind zu verbieten. An ihre Stelle knnen risikobehaftete Investitionen und Unternehmensbeteiligungen treten. Einkommens- und Vermgenssteuern sind abzuschaffen und durch staatliches Volksgeld, das in Budgetsitzungen festgelegt und alsdann als Steuergeld (Albert Lmmel ) den Gemeinwesen zugeteilt wird, zu ersetzen.