Machterhalt durch Geschichtsklitterung
Auszge aus dem Buch von Erich Bromme Flschung und Irrtum in Geschichte und Theologie, Waldemar Hoffmann Verlag, Berlin, 1975.
Die entdeckte geschichtsflschende Zeitrume- und Bereichevertauschung, die dadurch mglich gewordene Datierung aller wichtigen geschichtlichen Ereignisse, die geglckte Entallegorisierung der Darstellungen zu reiner Geschichte, die Ersetzung der anonymen Namen- und Titelbegriffe durch historisch gesicherte Herrschernamen usw. zwingen geradezu die Frage nach der Entstehungszeit, dem Wesen und dem Zweck des Alten Testaments auf. Bisher konnten nur mehr oder weniger wahrscheinliche Vermutungen ausgesprochen werden, die jedoch den Kern des Problems nicht berhrten, weil die davorgesetzten unhistorischen dreieinviertel Jahrhunderte die Zusammenhnge nicht erkennen liessen.
Das zweite Haupthindernis, das nicht zu einem befriedigenden und beweisbaren Ergebnis vorzudringen gestattete, bildete und bildet [1974] noch immer die wie eine Erbkrankheit verbreitete Annahme, es htten sehr frhzeitig schon religise Entwicklungen und zustzlich tatschlich Inspirationen von einem jenseitigen Wesen stattgefunden. Hinzu kommt die religise Scheu vor den seit Jahrtausenden aufgebauten Tabus, gegen die bisher niemand ernsthaft angegangen ist, weil eine heimliche, anerzogene Furcht vor einer Strafe Gottes im jenseitigen Leben noch immer davon abhlt. Auch bei den Forschern und Gelehrten ist es so. Die Situation hat sich aufgrund obiger Feststellungen gendert. Nunmehr besteht die Mglichkeit, sowohl den frhesten Termin der Abfassung und die entscheidenden Grnde fr das Zustandekommen zu nennen, als auch etwas ber Wesen und Zweck auszusagen.
Das Alte Testament gleicht einem Januskopf. Das eine Gesicht zeigt unbeschadet der Zeitrumevertauschung die in allegorisierter Form dargestellte exakte Geschichte, das andere die mittels der Zeitrumevertauschung begangene Geschichtsflschung, die eine Maximalverschiebung von etwa 700 Jahren nach rckwrts bewirkte. Wollen wir sowohl die Geschichtsereignisse als auch die Entstehung nicht nur der sogenannten Geschichtsbcher, sondern auch der Bcher der Propheten datieren und damit zugleich auch die Lebenszeiten der Autoren ermitteln und chronologisch einordnen, dann erwchst als erste und wichtigste Aufgabe, den Tausch rckgngig zu machen, um danach erst an die Festlegung der einzelnen Ereignisse heranzugehen. Dabei haben wir uns von dem Grundsatz leiten zu lassen, dass, wenn alle spteren Zustze und verflschenden Einschiebungen ausgeschieden worden sind, die Darstellung der Geschichte eines Zeitabschnitts wohl vor dem zeitlich letzten bercksichtigten Ereignis begonnen, aber nicht beendet worden sein kann. Das stempelt die biblische Prophetie zu einem literarischen Zweckprodukt.
Auch der Tanz um das goldene Kalb, der in die Lagerzeit am Berge Sinai im Jahre 538 v.Chr. vorverlegt wurde (2.Mose 32), das Sympathisieren der Kinder Israel in der Provinz Kanaan mit gypten um 460 v.Chr. knnen somit auch nicht vor diesem militrischen Ereignis geschrieben worden sein.
Das gleiche gilt auch fr die in das Lager bei Kadesch zurckverlegten Vorgnge um die Rotte Korah und den grnenden Stab Aarons, die sich im Juli 538 v. Chr. zugetragen haben sollen, aber die mit dem von Alexander d.Gr. untersttzten Abfall von Persien und Davids Staatsstreich zusammenhngenden Ereignisse im Frhjahr 332 v. Ch. beinhalten.
Die Bestimmungen ber das Amt und den Unterhalt der Priester und Leviten zum ewigen Recht knnen sogar erst in der Zeit danach gegeben worden sein. Weil das Geschehen um Davids Machtergreifung das Ergebnis und die Folgen berliefert, kann als frhester Termin der Entstehung dieser Stelle nur Mitte 332 v.Chr. angenommen werden. Das gilt dann auch fr die whrend Davids Regierungszeit entstandenen, aber fr fast alle alttestamentlichen Geschichtsbcher verstreuten Gesetze, deren Urheberschaft rckdatierend Gott KyrosII. und Mose zugeschrieben wurde, jedoch die Regierungsttigkeit jenes Knigs voraussetzen.
Auch die berall feststellbare Tendenz und Standesbezogenheit der Darstellung weisen auf seine Zeit hin. Sie sind nicht projdisch, sondern proisraelitisch und haben absolut nichts mit Religion zu tun. Diese ist erst spter durch den Bedeutungswandel ehemals rein weltlicher Begriffe hineingetragen worden. Je lnger man sich mit dem Text unter Bercksichtigung der genannten Gesichtspunkte befasst, desto zwingender werden berzeugung und Gewissheit, dass alle Manipulationen mit der Chronologie und den Realitten der Geschichte, d.h. sowohl der Zeitrumetausch als auch die Rckdatierungen, Klitterungen, Namensnderungen und Namensmissbruchen, Allegorisierung, Prophetisierung, Anonymisierung, Positivierung, Dialogisierung, Verkettung u.dgl.m. dem einzigen Ziel dienten, Israels Neu-Herrenstand, der sich eigenmchtig und gewaltsam dazu gemacht hatte, Alter, Tradition und Legitimitt zu verleihen. Auf diese Weise wurden der Grnder des persischen Grossreichs, KyrosII., Mose und Aaron zu posthumen Geburtshelfern einer ursprnglich dem fremden Grossknig oder Gott in einer fremden Reichsprovinz dienenden und stationierten, zwischen der einheimischen Bevlkerung lebenden Besatzungstruppe gemacht, deren Fhrerschaft in einem historisch gnstigen Augenblick die Macht an sich riss, wodurch sie gleichzeitig zum direkten Vorlufer der heutigen offenbarungsreligisen Priesterschaften wurde.
Das letzte nach biblischer Zeitangabe sicher datierbare Ereignis stellt die Einweihung des Statthalterpalastes und der Knigsresidenz in Jerusalem Ende Oktober 277 v.Chr., im 24. Regierungsjahr Salomos, dar. Wir erfahren zwar noch vom Besuch der Knigin von Saba (Reicharabien), doch dieser muss, weil sie einerseits das gebaute Haus bewunderte (10,4) und andererseits das von ihr geschenkte Sandelholz zu Pfeilern im Hause des Herrn und im Hause des Knigs verwendet wurde (1. Kn. 10,12), schon vor der Vollendung des Statthalterpalastes, also 291 v.Chr., erfolgt sein.
Wenn wir somit das Ende der Geschichtsdarstellung in den Geschichtsbchern mit um 275 v.Chr. angeben und daraufhin den Abschluss des Hauptteils der Schriftensammlung Altes Testament kurz danach annehmen, dann drften wir das Richtige treffen. Die Angaben ber verschiedene Ereignisse, Salomos Tod und den vermeintlichen Sohn sprechen durchaus nicht dagegen, weil sich erstere offensichtlich vor 275 v.Chr. zutrugen, letztere dagegen zur Geschichtswerke-Verkoppelung gehren. Kapitel ber sptere Geschehnisse erweisen sich im allgemeinen eindeutig als von anderer Hand und nachtrglich eingeschoben. Auch mit ihnen wurde der gleiche Zweck verfolgt, etwas allegorisiert und prophetisiert in grsserer Vergangenheit zu verankern, um zeitbedingte, zumeist von der gleichen Seite verfolgte gruppenegoistische Ziele leichter und schneller erreichen zu knnen.
Nach den bisher aufgefundenen Belegen und Beweisen drfen wir die Entstehung der Geschichtsbcher und der sie weitgehend ergnzenden, aber auch von ihnen abhngigen und sie teilweise sogar entschlsselnden Bcher der Propheten in der Zeit zwischen 332 und 275 v.Chr. annehmen. Sie dienten der einzigen Aufgabe, die gewaltsam umgestrzten Verhltnisse insbesondere im westjordanischen Teil der ehemaligen Provinz Kanaan historisch zu begrnden und den neuen Herren Macht und Herrschaft langfristig zu erhalten. Was einmal durchaus mit Irrwilligkeit begabte Personen, die sich mnnerbndisch organisierten, gemacht werden wrde, konnten die Autoren, die noch ausschliesslich an das Nchstliegende dachten und dafr schrieben, nicht ahnen. Es hat bestimmt nicht in ihrer Absicht gelegen, sonst htten sie nicht auf ihr berall erkennbares Nahziel hin allegorisiert, prophetisiert und rckdatiert, Zeitrume und Bereiche vertauscht, alles in weitgehende Namen- und Zeitlosigkeit gehllt und nicht den Irrtum schriftlich fixiert, sondern die ihnen zustatten kommende Irrtumsmglichkeit einkalkuliert. Sie kannten ihre Mitmenschen und deren geringe Denkwilligkeit nur zu genau und tragen deshalb keine unmittelbare Schuld, dass sich aus ihren auf nicht gerade bliche Art formulierten Realitten ein Phantasieprodukt, das heute berall Offenbarungsreligion heisst, entwickelte. Sie knnen nichts dafr, dass die Menschheit ber zweieindrittel Jahrtausende hinweg von den daran interessierten Kreisen gehindert wurde, ihrer Intelligenz, ja sogar ihrer Genialitt gewachsen zu sein.
Das ber den Datierungsgrundsatz Gesagte trifft selbstverstndlich auch fr die Bcher der Propheten zu. Wie wir auch da schon feststellen konnten, handelt es sich bei ihren Autoren nicht um echte Propheten, die historisch gewordene Ereignisse lange Zeit zuvor sogar in Einzelheiten voraussagten, sondern um qualifizierte Historiker, die den Verlauf der Geschichte genau kannten, sie aber von verschiedenen lngst Vergangenheit angehrenden Zeitpunkten und historischen Begebenheiten aus nicht nur prophetisierten, sondern sich sogar der Allegorien der Autoren der Geschichtsbcher bedienten falls sie nicht selbst zu diesen gehrten , um in ihrer Darstellung mit diesen bereinzustimmen.
Wenn nun aber diese prophetisierenden Historiker anhand der gut bekannten Ereignisse prophetisierten und dabei die in den Geschichtsbchern allegorisiert dargestellten historischen Ereignisse mitsamt dem Wortschatz benutzten, dann mssen sie entweder Zeitgenossen z.B. des Mose-Autors gewesen sein oder aber spter gelebt haben. Sie alle halfen nmlich mit, die neue Gewaltherrschaft durch ihre literarischen Tendenzprodukte als legal zu begrnden, zu verherrlichen und damit zu festigen. Um die Lebenszeiten ermitteln zu knnen, haben wir daher wiederum nach dem jeweils letzten gleich auf welche Weise angesprochenen historischen Ereignis zu suchen, das welch banale und hier doch so wichtige Tatsache! nicht nur vorhanden ist, sondern vorhanden sein muss, wenn es sich in manchen Fllen wegen der Darstellungsart auch nur schwer finden lsst.
Die Bcher des Alten Testaments entstanden, sofern sie nicht sptere Zusammenfassungen, Gedicht- und Spruchsammlungen sind, als Gemeinschaftswerk mit verteilten Rollen. Das soll heissen, dass die meisten Autoren zur gleichen Zeit lebten und das ihnen zur Darstellung aufgetragene Teilstck aus der von um 926 bis 275 v.Chr. reichenden, nacheinander assyrischen, chaldischen, persischen und israelitischen Geschichte so abfassten, als seien sie Zeitgenossen gewesen. Alle diese Schriftsteller erweisen sich als Vertreter und Meister einer Literaturgattung, die vom ltesten Gilgamesch-Epos ber das Alte Testament als dem umfangreichsten und wichtigsten Dokument und die Qumranmanuskripte bis zu den Evangelien, der Apostelgeschichte und der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament reicht und, soweit ich bisher bersehen kann, mit diesem endet.
Einen unwiderlegbaren Beweis fr die Richtigkeit dieser Behauptung liefert Jeremia, dessen Lebenszeit allenthalben mit 626 bis 580 v.Chr. angegeben wird, aber um 250 Jahre spter lag. Sehen wir uns einige Stellen in seinem Buche an!
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Wenden wir uns zunchst Vers 31 34 zu! In ihnen ist in seltener Klarheit von den beiden so grndlich missverstandenen und konfessionell ausgeschlachteten Bunden die Rede, die hier zeitlich festgelegt und exakt gegeneinander abgegrenzt sind. Wie schon in anderem Zusammenhang herausgestellt wurde, handelte es sich bei einem solchen Bund nicht um ein Bndnis eines Volkes mit einem imaginren berirdischen Gott, sondern eindeutig um die Begrndung einer irdischen Abhngigkeit und bedingungslosen Unterwerfung nach Herren- bzw. Siegerrecht. Die Dauer des Alten Bundes deckt sich exakt mit der Dauer der Perserherrschaft von der Vernichtung des Chalderreiches und der dadurch erfolgten Befreiung der Gefangenen am 12. August 539 v.Chr. bis zu ihrem Ende in der Provinz Kanaan Ende Mrz 332 v.Chr., wie aus Vers 32 unwiderleglich hervorgeht. Der Hinweis auf den nicht gehaltenen Bund, weshalb Zwang angewendet werden musste, zielt auf den als Tanz um das goldene Kalb versinnbildlichten Abfall zu gypten, weshalb Esra zur Wiederherstellung der Botmssigkeit und Bestrafung geschickt wurde. Der Neue Bund begann nach dieser Zeit, womit zweifelsfrei die gemeint ist, die mit der Beendigung der persischen Oberhoheit durch Alexander d.Gr. und Davids Staatsstreich begann (Vers 33).
Was bereits aus 4. Mose 16 und 17 erschlossen werden konnte, findet hier seine Besttigung: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben und keiner wird den anderen lehren und sagen: Erkenne den Herrn, sondern sie sollen mich alle kennen usw. (Vers 33 f), sagt unverhllt, dass die Herrschaft des neuen Herrn es ist Knig David gemeint! auf die unter der Bevlkerung durch seine grausamen Vernichtungsaktionen erzeugte Angst und Schrecken gegrndet war. Aus Ich will ihr Gott und sie sollen mein Volks sein, spricht der Usurpator und Despot, dessen Vergeben und Vergessen der Missetat und Snde ausdrckt, dass er die Tter, jene gegen den Abfall von Persien und Davids Machtergreifung Aufbegehrenden, hatte umbringen lassen.
Den Beweis fr die Schaffung eines nur lose abhngigen Nationalstaates mit einem eigenen Knig enthlt Vers 22, denn das Weib (= das Land bzw. Reich) wird den Mann umgeben besagt, dass der Herrscher im Lande selbst residierte, also ein einheimischer Knig und nicht mehr ein fremder Grossknig in einer fernen Hauptstadt [wie Kyros II.] war.