Kriegsdrohungen

Was gesagt werden muss

Von Rdiger Gbel*

5. 4. 2012 (dpa/IRIB) Sollte Israel vermutlich mit konventionellen Bomben und Sprengkpfen die iranischen Atomanlagen angreifen, knnte das zum Dritten Weltkrieg fhren, sagte der Literaturnobelpreistrger Gnter Grass in einem Gesprch mit der dpa. Israels Ministerprsident Benjamin Netanjahu hat mit scharfen Worten auf die Kritik durch den deutschen Literaturnobelpreistrger reagiert. Die schndliche Gleichstellung Israels mit dem Iran einem Regime, das den Holocaust leugnet und damit droht, Israel zu vernichten sagt wenig ber Israel, aber viel ber Herrn Grass aus, hiess es in einer Mitteilung seines Bros von heute.

Seitenhieb auf Grass SS-Vergangenheit: Es ist der Iran, nicht Israel, der eine Bedrohung fr Frieden und Sicherheit in der Welt darstellt. Es ist der Iran, nicht Israel, der anderen Staaten mit der Auslschung droht, so Netanjahu [eine freche Lge, siehe Seite7, Anm. d. Red.]. Grass habe sechs Jahrzehnte verschwiegen, dass er Mitglied der SS war. Deshalb sei es jetzt nicht berraschend, dass er den einzigen jdischen Staat zur grssten Gefahr des Weltfriedens erklre und dagegen sei, diesem die Mittel zur Verteidigung zur Verfgung zu stellen, teilte Netanjahu weiter mit

383 Worte kurz ist unter obigem Titel die Stellungnahme des Schriftstellers und Literaturnobelpreistrgers Gnter Grass, in der er Israel wegen dessen Haltung im Atomkonflikt mit Iran und die deutschen Waffenexporte in die Krisenregion kritisiert.

Sein Text erschien am Mittwoch in der Sddeutschen Zeitung, der New York Times, El Pais und La Repubblica. Das Prosagedicht, inhaltlich deckungsgleich mit Dutzenden Aufrufen der Friedensbewegung zu den bevorstehenden Ostermrschen, schlug ein wie eine Bombe. Binnen Stunden brach sich ein anschwellender Bocksgesang Bahn, der in massive Antisemitismusvorwrfe gipfelte.

Was hat Gnter Grass Schlimmes geschrieben: Er warnt in ausdrcklicher Verbundenheit mit dem Land Israel vor einem israelischen Erstschlag, der das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslschen knnte. Er warnt Deutschland davor, mit der Lieferung eines weiteren U-Bootes nach Israel, dessen Spezialitt darin besteht, allesvernichtende Sprengkpfe dorthin lenken zu knnen, wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist, Zulieferer eines Verbrechens zu werden. Er warnt, die Atommacht Israel gefhrdet den ohnehin brchigen Weltfrieden. Und schliesslich fordert Grass eine ungehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz.

Linke-Politiker Wolfgang Gehrcke sagte am Mittwoch, was gesagt werden muss: Gnter Grass hat recht. Der Schriftsteller habe den Mut auszusprechen, was weithin verschwiegen wurde. Gnter Grass beschme die deutsche Politik. Diese sei, so Gehrcke, weithin damit beschftigt, die diplomatischen Folgen eines israelischen Angriffs auf den Iran zu kalkulieren, statt alles zu tun, um diesen Krieg zu verhindern und damit allen, den Israeli und Palstinensern, mehr noch, allen Menschen, die in dieser vom Wahn okkupierten Region dicht bei dicht verfeindet leben, und letztlich auch uns zu helfen. Ebenfalls Untersttzung erhielt Grass vom Prsidenten des deutschen PEN-Zentrums, Johano Strasser. Der warnte vor Waffenexporten an eine israelische Regierung, die den Anschein erwecke, ein Krieg gegen den Iran sei unausweichlich.

Ansonsten gab es fr Grass Prgel. Der [jdische] Publizist Henryk M. Broder beschimpfte den Schriftsteller im Springer-Blatt Die Welt als Prototyp des gebildeten Antisemiten. Von einem unverantwortlichen und aggressiven Pamphlet der Agitation sprach Dieter Graumann, Prsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der offizielle Vertreter Israels in der BRD, Emmanuel Nahshon, schrieb auf der Homepage der Botschaft, es gehre zur europischen Tradition, die Juden vor dem Pessach-Fest des Ritualmords anzuklagen. Frher waren es christliche Kinder, deren Blut die Juden angeblich zur Herstellung der Mazzen verwendeten, heute ist es das iranische Volk, das der jdische Staat angeblich auslschen will. Spiegel online schlagzeilte dazu Fatwa-gleich: Israel verdammt Grass-Gedicht und mokierte sich ber den lyrischen Erstschlag. Die Frankfurter Rundschau sorgte sich um den Blechtrommler. CDU-Generalsekretr Hermann Grhe usserte, er sei ber die Tonlage, ber die Ausrichtung dieses Gedichtes entsetzt. SPD-Generalsekretrin Andrea Nahles meinte, angesichts der Lage im Nahen Osten empfinde sie das Gedicht als irritierend und unangemessen.


Fussnote

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Quelle: Iran German Radio, 6.4.2012