Meinungsfreiheit

An Simonetta Sommaruga, Vorsteherin des Justizdepardements

Post bekam in den letzten Tagen nicht nur Bundesrtin Simonetta Sommaruga. Auch alle andern 6 Bundesrte, alle 246 National- und Stnderte und alle 48 Bundesrichter in Lausanne und Bellinzona werden sich ber einen ebensolchen Brief verwundert die Augen gerieben haben.

Basel, 13. Juli 2012
Sehr geehrte Frau Bundesrtin

Es ist uns zur Kenntnis gekommen, dass Ihr Departement das Gesuch vom 24. Mai 2012 von Andres J.W.Studer (zur Zeit als politisch Verfolgter im Exil) zur Wiederaufnahme eines Strafverfahrens in Sachen Art. 261bis StGB mit der Begrndung das Bundesgericht sei an das vom Volk angenommene Gesetz gebunden, abschlgig beantwortet hat.

Schon an dieser Stelle sei vorweggenommen und drfen wir Ihnen in Erinnerung rufen, dass die Gesetzgebung Sache der Legislative, also Sache des Parlaments ist. Das Bundesgericht hat nicht ber die Gesetze als solche zu entscheiden. Auch hat es bisher ber die Europische Menschenrechtskonvention, die mit Art. 10 EMRK das Recht auf Freiheit der Meinungsusserung garantiert, hinweggesehen. Wo das Gesetz im Widerspruch zur Verfassung und EMRK steht, hat das Bundesgericht das Gesetz als verfassungswidrig nicht anzuwenden. Das Bundesgericht kann im Laufe seiner Ttigkeit auch einmal klger werden und seine Meinung ndern und anders als frher entscheiden (Praxisnderung). Aber wenn sich Ihr Departement gegen die Wiederaufnahme wie in Sachen Andres J.W.Studer sperrt, dann kommt es nicht zu solchen Korrekturen. Da fragt man sich hchstens, was fr ein Interesse Ihr Departement an der Nichtwiederaufnahme hat.

Zum Gerichtsverfahren selbst ist uns bekannt, dass sich der Gesuchsteller zu historischen Geschehen geussert hat. Die von ihm gettigten Meinungsusserungen sind vom Gericht aber nicht, wie es von einem rechtsstaatlichen Strafverfahren unverzichtbar einzufordern ist, als wider besseres Wissen falsch bekundet bewiesen worden, sondern dem Angeklagten ist unter Druck der medialen ffentlichkeit Rassendiskriminierung und Leugnung eines Vlkermordes unterstellt worden. Solche Annahmen zulasten eines Angeschuldigten verstossen klar gegen den Grundsatz in dubio pro reo. Sie sind uns sonst aus totalitren Regimes bekannt. Jetzt haben wir doch eine neue eidgenssische Strafprozessordnung, die solche Verfahrensmissstnde abstellen soll.

Die von Ihrem Departement (Frau lic. jur. Sabina Motta) zur Ablehnung des Gesuches vorgebrachte Rechtfertigung, das Bundesgericht sei an das vom Volk angenommene Strafgesetz gebunden, bergeht die tatschliche Zustndigkeitsordnung. Ein solcher Bescheid ist inakzeptabel und zu pauschal.

Wir wollen Sie hier und heute nicht mit diesem Strafverfahren belasten, sondern sehen uns veranlasst und ersuchen Sie, die zur Anwendung gekommene Bestimmung des Strafgesetzes in seiner Gesamtheit als null und nichtig zu erklren und aufzuheben und alles daran zu setzen, damit die Bestimmung aus dem Gesetzestext verschwindet.

 

Begrndung zur Aufhebung

Die Umstnde, wie die Annahme des Strafgesetzes zustande gekommen ist, nmlich mittels Betrug und einer von den Befrwortern medial inszenierten Irrefhrung des Stimmvolkes, fordern zwingend dessen Ausserkraftsetzung. Die nachfolgend aufgefhrten Tatumstnde konnten auch der grossen Mehrheit des damaligen Gesamtbundesrates und Parlaments nicht entgangen sein. Eine unter solchen Umstnden zustande gekommene Bestimmung im Strafgesetz ist unethisch und menschenrechtswidrig.

Schon Monate vor der Abstimmung setzte eine Medien-Schlammschlacht ein. Diese war von dermassen ekelerregender Primitivitt, dass sie jedem anstndigen Menschen schlicht und einfach die Schamrte ins Gesicht treiben musste. Die wichtigsten Tageszeitungen, das Radio und Fernsehen waren sich einig und machten das Stimmvolk glauben, dass die Gegner des Strafgesetzes und besonders die Mitglieder des Referendumkomitees (Aktion fr freie Meinungsusserung), wste Rassisten und Fremdenhasser seien. Die ber die Komiteemitglieder verbreiteten Beschimpfungen waren aus der Luft gegriffene Erfindungen. Sie ermangelten jedes sachlichen Beweises. Auch die drei Jungpolitiker Gregor A. Rutz (FDP), Philipp Rhomberg (SVP) und Dieter Nigg (CVP), die dem Gesetz ablehnend gegenberstanden, wurden vom Sonntagsblick aufs belste beschimpft, und auf einem Flugblatt des Eidgenssischen Komitees Ja zum Antirassismus-Gesetz wurden sie mit Volksverhetzern und Neonazis gleichgesetzt und gefragt, warum stopfen ihnen die Parteiprsidenten nicht endlich das Maul? Ein prominenter Befrworter des Strafgesetzes bezeichnete am 21. Juni 1994 anlsslich einer Studiodiskussion am Radio DRS 1 die das Gesetz ablehnenden Brgerinnen und Brger ffentlich als das grsste politische Lumpengesindel. Den politischen Gegnern des neuen Strafgesetzes wurde damit die Menschenwrde abgesprochen, just von der Befrworterseite, die das Gesetz zur Wahrung der Menschenwrde als unverzichtbar erklrte.

ber all dies hinaus griffen die Befrworter des Strafgesetzes noch zum Mittel des Propagandabetruges, der im viel gelobten Rechtsstaat Schweiz von keiner Amtsstelle oder Medienstimme angefochten wurde. Dieser bestand in einem Plakat in dreifacher Weltformatgrsse, auf dem ein Graffiti mit den Worten Italia-Schweine ab in die Gaskammer! abgebildet war, samt dem Aufruf Nie wieder. JA zum Antirassismus-Gesetz (Beilage). Seit sptestens den 70er Jahren sind die hiergebliebenen italienischen Saisonniers und Gastarbeiter Teil des Schweizervolkes. Die meisten sprechen die Landessprache ihres Wohnkantons. Viele von ihnen sind mit Schweizerinnen oder Schweizern verheiratet. Nicht einem einzigen Schweizer kme es in den Sinn, diese Mitbrger als Schweine zu bezeichnen und sie in Gaskammern treiben zu wollen. Derselbe Betrug mit einem Graffiti blieb auch im Tessin unangefochten. Mit diesem wurde den Schweizern unterstellt, sie wrden die Italiener mit dem Wort Dreckfresser (Terrone) beschimpfen und Italiener seien fr den Scheiterhaufen bestimmt (destinate al rogo) (Beilage). Diese zwei geflschten Bilder derselben Machart, die ein echtes Graffiti vortuschen, beweisen die Planmssigkeit durch Irrefhrung und Betrug. Ein drittes Plakat in gleicher Aufmachung erschien in Lausanne.

Dies alles konnte der Mehrheit der damaligen Bundesrte und Parlamentarier nicht entgangen sein; doch sie alle liessen den Betrug am Stimmbrger stillschweigend geschehen, um von den Medien nicht in die schmutzige Ecke abgedrngt zu werden. Ein bis heute nicht thematisierter eidgenssischer Skandal. Mit suggestiven Mitteln, die das Volk in Schrecken versetzten, wurde unserem Land die Einfhrung eines neuen Strafgesetzes aufgedrngt, womit sich die Befrworter gleich selber strafbar machten: Das Vorspiegeln falscher Tatsachen, mit denen die Bevlkerung in Schrecken versetzt und der ffentliche Friede gefhrdet wird, ist nach Art. 258 StGB verboten.

Zur Bejahung dieses Tatbestandes bedarf es Vorkommnisse von einer gewissen Eindringlichkeit, die nach Form und Inhalt geeignet ist, den Willen des unbefangenen Adressaten zu beeinflussen. Entscheidend ist, wie das Vorkommnis im Gesamtzusammenhang vom durchschnittlichen Leser oder Zuhrer verstanden wird. Dass die Eindringlichkeit der angewandten Mittel einzeln und in ihrer Gesamtheit gegeben war, ist durch das Kippen der zuvor mehrheitlichen Haltung nein fr ein Gesinnungsstrafgesetz, bewiesen. Wre rein sachlich informiert worden, htte die Vorlage keine Chance gehabt. Der Bundesrat war wegen der drohenden Ablehnung der neuen Strafnorm in Panik geraten, wusste der Blick kurz vor der Abstimmung zu berichten.

Das Antirassismus-Gesetz wurde zum berwiegenden Teil wegen massiver Einschchterung und betrgerischer Irrefhrung des Stimmvolkes von nur 54% der Abstimmenden angenommen. Viele Mitbrgerinnen und Mitbrger blieben unter diesen Voraussetzungen der Urne fern. Die skandalsen Beschimpfungen und Diffamierungen der Gegnerschaft zwecks Annahme des Gesetzes sind hier noch lange nicht abschliessend aufgezhlt.

Im Vertragsrecht gelten Vereinbarungen mit sittenwidrigem Inhalt als null und nichtig. Fr eine Bestimmung eines Strafgesetzes, der es darber hinaus auch noch an jeder klaren Deliktsdefinition mangelt, hat derselbe Grundsatz zu gelten. Auch vor dem Vlkerrecht haben sittenwidrig zustande gekommene Vereinbarungen keinen Bestand. Strafartikel 261bis und Militrstrafartikel 171 c sind rechtswidrig zustande gekommen und weisen einen rechtswidrigen Inhalt auf. Sie stehen im Widerspruch zur Bundesverfassung (Presse-, Glaubens- und Meinungsfreiheit) und zur EMRK, die ja auch im Range von Verfassungsrecht steht.

Kann und soll sich die Schweiz leisten, dass jeder Brger wegen einer Meinungsusserung potentiell von einer Willkrbestimmung erfasst und mundtot gemacht wird? Was denkt man sich im freien Teil der Welt von Schweizer Zustnden, wo dem Brger fr jedes Wort die Klatsche von Art. 261bis StGB droht? Was sind das fr Freiheitsliebende, die nicht einmal mehr bei sich offen zu sprechen wagen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und die nicht mehr wagen drfen laut zu denken? Art. 261bis StGB macht viel weitgehender mundtot, als die ursprngliche Absicht war. Insofern ist die Bestimmung ein Langzeitgift fr die freie Gesellschaft.

 

Erluterung des UNO-Menschenrechtskomitees

Wir zeigen Ihnen hiermit noch an, dass zufolge des am 21. Juli 2011 vom UNO-Menschenrechtskomitee verffentlichten General comment No. 34 die Meinungsfreiheit als unverletzliches Menschenrecht zu gelten hat. In diesen Erluterungen ist festgehalten:

Gesetze, welche den Ausdruck von Meinungen zu historischen Fakten unter Strafe stellen, sind unvereinbar mit den Verpflichtungen, welche die Konvention der Unterzeichnerstaaten hinsichtlich der Respektierung der Meinungs- und Meinungsusserungsfreiheit auferlegt. Die Konvention erlaubt kein allgemeines Verbot fr den Ausdruck einer irrtmlichen Meinung oder einer unrichtigen Interpretation vergangener Geschehnisse. (Beilage engl. und frz. Originaltext.)

Nationale Strafrechte die wie in der Schweiz Art. 261bis StGB und Art. 171 c MStG davon abweichende Bestimmungen enthalten, verstossen gegen die Menschenrechte. Sie sind daher nicht lnger rechtsgltig und zwingend ausser Kraft zu setzen.

Die politische und mediale Schweiz hatte im Jahr 2002 alle Propagandakanle mobilisiert, damit der UNO-Beitritt unseres Landes (in zweiter Abstimmung nach 1986) vollzogen werden konnte. Es darf daher erwartet werden, dass Bundesrat und Parlament die vom UNO-Menschenrechtskomitee festgestellte Konventionswidrigkeit zur Kenntnis nehmen und danach handeln. Dem nicht nachzukommen wre inkonsequentes und klares UNO-beitrittswidriges Verhalten, wie bei einem drittklassigen pseudodemokratischen Staatsgebilde.

Wir ersuchen Sie daher, die erwhnten Strafgesetzbestimmungen wegen Betrugs und Irrefhrung der Abstimmenden resp. des Volkes, sowie wegen Verletzung der Meinungsfreiheit gemss General comment No. 34 des UNO-Menschenrechtskomitees zu annullieren. Die Bestrafung von Diffamierungen sind durch die Artikel 173, 174, 177 und 262 StGB weiterhin gewhrleistet. Vor Ausserkraftsetzung der erwhnten zwei Strafartikel ist das Internationale bereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung gemss Art. 21 desselben zu kndigen.

Desgleichen ersuchen wir Sie, alle seit Inkraftsetzung von Art. 261bis StGB und Art. 171 c MStG wegen irrigen oder unrichtigen usserungen zu historischen Geschehnissen erlassenen Urteile, sowie auf derselbigen Grundlage erlassene Urteile wegen Rassendiskriminierung, einer rckwirkenden Aufhebung zuzufhren und die juristisch Verfolgten und Verurteilten fr die erlittene Unbill, die ihnen entstandenen Kosten und wirtschaftlichen Einbussen, die fr einige auch in die Zukunft reichen, zu entschdigen. Der Verstoss gegen Menschenrechte ist unverjhrbar. Desgleichen die Entschdigungsforderung der Betroffenen. Der einzelne Verstoss geringfgiger Art mag verjhren (ist vlkerrechtlich umstritten). Die Verfassungs-/EMRK-Widrigkeit eines Gesetzes bleibt bis zur Abschaffung der Bestimmung, d.h. sie kann nicht verjhren. Und genau diesen Verstoss prangert der Presseclub an.

 

Kndigung des Abkommens

Der Kndigung des Abkommens steht nichts entgegen. Das Bundesamt fr Justiz hlt in seinem Schreiben vom 18. Mai 1999 (Dr. Aldo Lombardi, Dienst fr die Totalrevision der Bundesverfassung) fest: Mit dem Wirksamwerden der Kndigung wre die bereinstimmung zwischen Vlkerrecht und Landesrecht wieder erreicht. (Nur dieses Internationale bereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten zum Erlass einer Strafbestimmung, wie sie Art. 261bis StGB darstellt.)

 

Ausblick

Gerne sehen wir Ihrer Antwort entgegen. Wir verstehen unser Schreiben nicht als eine Schrift, um uns einmal Luft zu machen. Wir betrachten es als Beitrag zur politischen Diskussion eines unerfreulichen Themas und werten Ihre Antwort ebenfalls als solchen Beitrag. In der Strafrechtswissenschaft wird die gengende Bestimmtheit von Art. 261bis StGB und 171 c MStG ernsthaft verneint. Dieser Mangel, sowie die totale Abkehr des bis Ende 1994 unbestrittenen Grundsatzes, nur Taten und nicht Gesinnungen zu bestrafen, rufen nach Aufhebung dieser zwei Strafartikel. Bestrkt wird unser Anliegen noch durch die Erluterungen Nr. 34 des UNO-Menschenrechtskomitees vom 21. Juli 2011. Wir beabsichtigen, die Korrespondenz unserer Leserschaft und den Interessierten bekannt zu machen. Wir halten nichts davon, Probleme unter den Teppich zu kehren.

Mit freundlichen Grssen
Presseclub Schweiz
sig. Ernst Indlekofer