Das Krankheitsbild des Geldsystems
Roger Kppel ist Chefredaktor und Verleger der Weltwoche (WW). In der Ausgabe 45/2013 lsst er Philip Plickert zum Finanzwesen schreiben und spielt gleich selbst auf derselben Tastatur mit (S. 36 und 37). Der eine auf den weissen, der andere auf den schwarzen Tasten. Um was geht es?
Plickert schreibt ber den Anthropologen und Occupy-Koryphen David Graeber, den er als Laie des Geldwesens abfertigt: Ein Laie und gefhrlicher Naivling. Doch Graeber hat wenigstens verstanden, dass die Geldvermehrung keinen Bestand haben kann. Plickert ist noch nicht so weit: Doch was wren heute die konomischen Konsequenzen eines globalen Schuldenschnitts?, fragt er. Er vergleicht diesen mit einer Atombombe, die unsere Wirtschaft vernichten wrde, denn auch smtliche Guthaben wrden gelscht.
Ja, richtig. Doch einige Lnder wrden nicht nach dem Schuldenschnitt greifen, bei dem die Brger 30 oder 70 Prozent ihres Vermgens verlren, sondern hochverschuldete Lnder wrden die Whrungsreform vorziehen. Wie z.B. die Umstellung in einer Nacht- und Nebelaktion von der Reichsmark zur Deutschen Mark, bei der alle, ob reich oder arm, fast alles verloren hatten. Geld muss vernichtet werden, wenn viel mehr davon vorhanden ist als reale Gegenwerte existieren, denn zuviel Geld fhrt zur Inflation. Offenbar strt es Plickert nicht, wenn Geldnoten wie 1923 in Deutschland mit dem Aufdruck Millionen alltglich werden.
Warum sagt er den Lesern nicht, dass Tauschhandel die richtige Wirtschaftsgrundlage ist und, dass Geld, ob bar oder unbar, in einer modernen Wirtschaft zum Tauschgeschft dazugehrt. Allerdings nur Geld, dem ein realer Wert gegenbersteht. In der WW 40/2013 berichtete Plicker vom konomen von Mises: Wenn die Zinsen zu tief gedrckt werden und zu viel Geld ber Kreditschpfung in die Wirtschaft kommt, folgt daraus ein ungesunder Boom. Richtig, hier msste Plickert ansetzen. Kreditschpfung gegen Zins ist das Problem. David Graeber erkennt in Bankschulden keine moralische Rckzahlungspflicht. Plickerts Vorwurf an ihn, Schuldtitel sind Eigentumsrechte! Bei einer globalen Bankenkrise wrden auch smtliche Guthaben (Schuldtitel) ausgelscht. Nein, Bankkredite sind Creatio ex nihilo, Geld aus dem Nichts gemacht. Bei Lichte besehen ein klarer Fall fr den Staatsanwalt.
Roger Kppels Kritik an Bundesrtin Widmer-Schlumpf, die ohne vorherige Absprache mit den Verantwortlichen der Credit Suisse und UBS von einer besorgniserregenden Unterkapitalisierung dieser Banken sprach und eine hhere Eigenkapitalquote von rund 4,5 Prozent, wenn nicht gar von 10 Prozent bis 2019 forderte, war richtig. Ihre unbedachte usserung liess allerdings die Aktien der beiden Grossbanken abstrzen. Sechs Milliarden Franken wurden vernichtet. Kppel: Wenn Bundesrte mehr vom Geschft und dessen Risiken verstehen als Bankiers, warum sind sie dann Bundesrte und nicht Bankiers?
So weit so gut. Darauf liess Kppel sich selbst abstrzen. Mit seinem Hinweis auf Eigenmittelvorschriften, welche die Ertragskraft der Banken einschrnkten, kam er der Wahrheit ungewollt nher, nmlich der Geldschpfung aus dem Nichts, Geld ohne realen Gegenwert. Solange die Banken schrumpfen, kann die Wirtschaft nicht wachsen, schreibt er. Soll die Wirtschaft solange wachsen, bis jeder Quadratmeter Kulturland berbaut ist und jedes Schweizerdorf New Yorks Manhattan gleicht?
Die Finanzkrise begann nicht mit dem Immobilien-Crash 2008 sondern am 15. August 1971 als US-Prsident Nixon das Goldfenster schloss. Damit wurde die Verbindung des US-Dollar zu jedem realen Wert aufgegeben. Seither ist die (noch) Weltwhrung Dollar zu einer blossen Fiat-Whrung degradiert, schrieb der Schweizer Bankier und Buchautor Lips.1 Die US-Banken werden nicht, wie Kppel schreibt, als grosse Gewinner aus dem Rennen gehen, sondern rettungslos im eigenen Geldsystem ersaufen. China will einen mit realem Wert, einen mit Gold gedeckten Renmimbi. Das Riesenreich kauft heute schon in ganz Europa Sachwerte auf. Verleger sollten lesen knnen, meint man. Wieso lesen sie das Buch von Ferdinand Lips nicht? Frage an Herrn Kppel: Wenn Verleger mehr vom Geld verstehen als Bankiers, warum sind Sie dann Verleger und nicht Bankier?
Eine abstruse Erklrung einzelner Sachbuchautoren ber die Geldvermehrung sei hier unseren Lesern noch zur Kenntnis gebracht: Verknpft mit der Geldschpfungstheorie sei das Geld aus dem Nichts. Darunter versteht man Geld, welches angeblich aus dem Nichts bei den Geschftsbanken geschaffen wird. Wenn sozusagen jemand einen Kredit bei einer Bank beantragt, dann so die Vorstellung erscheint dieses Geld per Computerklick, vllig ohne Deckung oder Einlagen, auf seinem Konto.
Doch schon eine einfache berlegung mache diese abenteuerlichen Vorstellungen schnellstens zunichte, schreibt Gnter Hannich auf Seite 79 seines Buchs Die Deflation kommt. Und weiter: Warum mussten einige vor dem Bankrott stehenden Banken staatliche Hilfe beantragen, wenn sie doch nach den Vorstellungen der Fiat Money-Anhnger dieses auf Knopfdruck, unabhngig von den Einlagen, selbst schpfen knnen?
Hier die Antwort: Weil die Vermehrung des Geldes aus dem Nichts nur funktioniert, und das wissen die Banken, wenn sie fr das Fiat Money einen Schuldner haben, jemanden, der einen zinspflichtigen Kredit aufnimmt. Dieses Darlehen kann der Kreditnehmer dann allerdings nicht durch einfachen Knopfdruck zum Verschwinden bringen, sondern nur durch Rckzahlung mit Geld, sei es bar oder durch Abbuchen von seinem Bankguthaben, d.h. von seinem Spar- oder Gehaltskonto.
Zahlungen zwischen den Banken unterliegen selbstredend nicht diesem Prinzip. Auch fr staatliche Bankenrettungen werden andere Wege gesucht. Interimsfinanzchefin Widmer-Schlumpf (Bundesrat Hans-Rudolf Merz war Rekonvaleszent) griff im Oktober 2008 fr die Rettung der UBS nicht in die Staatskasse (vgl. 9/2008). Mit 60 Mrd. Franken musste die Eidgenossenschaft die Grossbank UBS retten. Die Zahl geistert noch heute in den Kpfen herum (Blick 31.7.2013). Weil die UBS nicht imstande war, die unter der Regie der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gegrndete Zweckgesellschaft zur Verwertung ihrer toxischen Subprime-Bestnde mit dem notwendigen Eigenkapital auszustatten, musste die Eidgenossenschaft einspringen. Zum Darlehen der SNB von hchstens 54 Mrd. Franken gesellte sich ein vom Steuerzahler vorgeschossener Eigenkapitalbuffer von 6 Mrd. Franken (NZZ 16.10.2008). Richtig muss es 54 Mrd. Dollar heissen, wie auf dem Weltnetz im Handelsblatt und in der Huftington Post (beide 10.11.2013) zu lesen ist. Beide schreiben von 1,6 Mrd. Dollar Zinszahlungen. Damit wird klargestellt, dass die SNB bei der Federal Bank in den USA Kredit aufgenommen hat ( 3/2010), notabene gegen Zins, was unsere Steuern erhht, weil sich die Gewinnausschttung der SNB an Bund und Kantone um rund 1,5 Mrd. Franken schmlert.
Das Darlehen erhielt die Schweiz von der Federal Bank aufgrund des Zinses und Vertrauens, das sie zu uns hat. Das heisst, fr Darlehen an einen Staat haftete niemand anders als das arbeitende, steuerzahlende Volk.
Hannich ist zugute zu halten, dass er in seinem Buch Staatsbankrott, wann kommt die nchste Whrungsreform? auf die Funktion des Geldes hinweist (S. 183 f): Geld sollte ausschliesslich der Vermittler von Waren und Dienstleistungen sein. Es widerspricht dieser Aufgabe, wenn Geld als Spekulationsobjekt oder als Schatzmittel dient. Aus diesen Widersprchen entspringt auch der Zins, der automatisch eine Volkswirtschaft in die berschuldung treibt. Zu ergnzen ist: Geld, das nicht durch reale Werte gedeckt ist, ist ersatzlos aufzugeben. Eine Zeitenwende hat sich angekndigt.
Fussnote
Ferdinand Lips Die Goldverschwrung, S. 119 f, Kopp Verlag, Rottenburg (BRD), 2003. |
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