Das Antirassismusgesetz
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Das Antirassismusgesetz solle angeblich Exzesse bekämpfen. In der Praxis zeigt sich, dass die Strafnorm nicht selten Mühe bereitet. Bei einzelnen Gerichten ziehen sich die Verfahren dahin, weil Richter langsam arbeiten. Viele Strafverfahren wurden eingestellt. Gut zu hören, dass es noch Behörden gibt, welche die rechtsstaatlichen Prinzipien beachten.

Das Antirassismusgesetz wurde im September 1994 vom Volk knapp gutgeheissen und trat Anfang Januar 1995 in Kraft. Seither wird Rassendiskriminierung, als Offizialdelikt (d.h. von Amtes wegen) mit Busse oder Gefängnis geahndet. Das Bezirksgericht Meilen hat im Juni 1997 mit 20 000 Franken die bisher höchste Busse gegen den 80jährigen pensionierten Lehrer Arthur Vogt ausgesprochen. Auch unbedingte Gefängnisstrafen bis zu vier Monaten wurden verhängt, z.B. gegen den Tierschützer Erwin Kessler, weil er das jüdische Schächten von Tieren als grausam und unmenschlich kritisierte.

Angebliches Ziel sei nur die Bekämpfung von Auswüchsen. Als die Strafnorm geschaffen wurde, habe verbreitet die Meinung bestanden, damit könne jede Handlung mit einem rassistischen Anhauch bestraft werden. In Wirklichkeit würde nur der Exzess bestraft, meinte Franz Riklin, Strafrechtsprofessor in Freiburg. Genau diese Befürchtung ist eingetroffen, nur muss man genau unterscheiden, gegen wen sich die angeblich diskriminierende Handlung richtet.

Die bisher erlassenen Urteile, es sind bis Ende 1997 rund 30, ergingen in den meisten Fällen wegen rassistischer Äusserungen von Betrunkenen, welche Farbige oder Käppli-Juden anpöbelten und beschimpften. Darauf ist nicht näher einzugehen. Das Bundesgericht beschäftigte sich bisher zweimal im Zusammenhang mit der Universalen Kirche mit der Strafnorm. Die oberste Instanz wies im Dezember 1997 zwei Beschwerden des Europaverantwortlichen der Universalen Kirche wegen Rassendiskriminierung ab. Darauf werden wir an anderer Stelle noch eingehen.

Keine Verurteilung wegen Diskriminierung

Der Randtitel des Gesetzes heisst Rassendiskriminierung. Diskriminierung bedeutet im eigentlichen Sinn Benachteiligung. Trotzdem fällt auf, dass noch keine Verurteilung wegen Diskriminierung verzeichnet wurde. Gemäss Hans Stutz, Verfasser einer Chronologie über rassistische Vorfälle in der Schweiz, wurden mehrere Fälle von Zutrittsverweigerung zu einem Lokal aufgrund der Ethnie oder Hautfarbe einer Person gemeldet. Die Wirte haben ihre Lektion gelernt. Stutz unterstellt den angeklagten Wirten, sie würden während des Verfahrens die Argumentation wechseln und beispielsweise geltend machen, die betreffende Person sei wegen Betrunkenheit nicht eingelassen worden.

Das kein Urteil von eigentlicher Diskriminierung vorliegt zeigt, dass die eigentliche Stossrichtung des Gesetzes an einem ganz anderen Ort liegt, und die Rassendiskriminierung nur eine Tarnung ist.

Diffuser Strafartikel

Die Gerichtsbehörden wenden die Strafnorm teilweise nur zögerlich an, weil sie unsicher sind. Kein Wunder bei dem schwammigen Gesetz. Wie allgemein anerkannt wird, ist die teilweise diffuse Beschreibung der Tatbestände ein grosses Problem. Den Gerichtsbehörden bleibt in der Interpretation ein beträchtlicher Ermessensspielraum, der erst ausgelotet werden muss. Das ist eine andere Umschreibung für Willkür. Die Anti-Rassismus-Strafnorm ist laut Riklin absichtlich so offen formuliert worden, damit sie auch in zwanzig Jahren noch angewendet werden kann. Weitere Bundesgerichtsentscheide würden klären, was bestraft wird.

Der Rassismusartikel ist offensichtlich ungenügend bestimmt und ist nicht vereinbar mit der Menschrechtskonvention. Bei einem Strafartikel geht es nicht an, den Bürger auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu vertrösten, bis er weiss, wie der Artikel genau zu verstehen ist. Es macht den Anschein, als sei die offene Formulierung absichtlich gewählt worden, um der Willkür; pardon: dem Ermessensspielraum, den Weg zu ebnen. Durch die Unsicherheit fühlen sich viele Bürger eingeschüchtert. Diese Nebenwirkung ist offenbar erwünscht.

Kollision mit der Meinungsfreiheit

Regula Bähler, von der Juristengruppe gegen Rassismus (Jura) , welche man als nationale Koordinationsstelle zur Durchsetzung der Rassismus-Norm im Sinne der Initianten bezeichnen kann, wies auf das Problem hin, dass es in der Schweiz Freiheitsrechte gebe, die Verfassungsrang hätten. Gut zu wissen, dass es noch solche Verfassungsrechte, sprich Menschenrechte gibt. Für Bähler, die noch als Gutachterin in ARG-Strafprozessen amtet (S. Fall Harry Zweifel) ist das offenbar ein Problem. Den immer wieder würde die Strafnorm von intellektuellen Personen angefeindet, welche die Meinungsfreiheit gewichten wollten. Was heisst hier gewichten? Die Meinungsfreiheit ist das wichtigste Recht in einer Demokratie überhaupt, denn ohne Meinungsfreiheit ist sie tot. Gottseidank gibt es in diesem Land noch einige intellektuelle Personen, die das selbständige Denken noch nicht ganz verlernt haben.

Auf die Meinungsfreiheit beriefen sich rechtsbürgerliche Politiker und Kritiker der Strafnorm. Im September lehnte der Bundesrat eine Motion von Wilfried Gusset (FPS/TG) ab. Die Motionäre, Nationalräte der Schweizer Demokraten, der Freiheitspartei, der SVP und der FDP, wollten die freie Meinungsäusserung sicherstellen und den Text volksnaher gestalten. Mehrere Begriffe müssten klarer definiert werden. Obwohl das Begehren mehr als berechtigt war, lehnte der Bundesrat lehnte eine Revision ab. Ein Spannungsverhältnis zwischen dem Tatbestand und dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit sei beinahe unausweichlich. Das ist aber kein Grund, die offenkundigen Mängel des Gesetzes zu beseitigen. Gegner der Strafnorm, die mittlerweile teils selber unter Anklage stehen, reichten gegen ihre Gegner selber Klage wegen Verletzung des ARG ein, um dieses Gesetz zu diskreditieren. Diese Strafanzeigen wurden mit zum Teil haarsträubenden Einstellungsverfügungen vom Tisch gewischt. Diese zeigen, zu welchem Nutz und Frommen das Antirassismusgesetz geschaffen wurde.

(April 98)