EU-Ostzuwanderung
Basler Rechtsanwalt verrgert FDP-Spitze
Mit einem halbseitigen Aufruf im Baslerstab (Tageszeitung der Stadt Basel) am 9. und 16. August 2005 verrgert der bekannte Rechtsanwalt Dr. Bernhard Gelzer die Parteispitze der FDP, welcher Partei er seit Jahrzehnten selbst angehrt.
Anlass seines Aufrufes war die vor wenigen Tagen an die Parteimitglieder versandte Einladung zum Parteitag am 18. August. Gemss Traktandenliste war die Behandlung der erweiterten Personenfreizgigkeit erst ab 21.00 Uhr angekndigt, wobei gar kein Koreferent eingeladen war und fr Referat und Diskussion bloss eine Stunde angesetzt war, denn bereits ab 22.00 Uhr waren die Mitglieder zum Apro eingeladen. Gelzer verlangte Verschiebung des Traktandums Personenfreizgigkeit auf einen zustzlichen Parteitag, an welchem ausschliesslich und kontradiktorisch die Probleme der bilateralen Abkommen II mit der EU behandelt, diskutiert und der Beschlussfassung zugefhrt werden.
Gelzer begrndet seinen Antrag mit der zutreffenden Feststellung, Gegenstand der kommenden Volksabstimmung vom 25. September 2005 seien zentrale und komplexe Fragen bezglich der Zukunft der Schweiz. Die Behandlung dieses Themas sei vielschichtig und wegweisend fr die Zukunft unseres Landes und vom Inhalt her parteiseminarwrdig und zumindest abendfllend.
Bernhard Gelzer wirft in seinem Aufruf folgende Fragen auf:
1.Bei der Abstimmung ber die bilateralen Vertrge mit den 15 EU-Lndern wurde nirgends dargelegt, dass mit der Annahme jenes Vertrages ein Zwang verbunden sein soll, die dort getroffenen Abmachungen mit 15 Lndern auf 10 weitere Lnder auszudehnen. Das zentrale Anliegen der EU-Staaten bestand damals darin, den bisher um die Schweiz herum zirkulierenden Lastwagenverkehr zwischen Sdeuropa und Nordeuropa schwerpunktmssig ber das schweizerische Nationalstrassensystem abwickeln zu knnen und die Schweiz fr die Zuwanderung aus den 15 EU-Staaten zu ffnen und ein Zinsbesteuerungsabkommen mit der Schweiz abzuschliessen. Das Abkommen ber die bilateralen VertrgeI hat keinerlei Entwicklungsklausel durch welche die Schweiz verpflichtet wurde, fr weitere, der EU damals als Beitrittskandidaten bekannte Lnder ein entsprechendes Zusatzabkommen zu schliessen.
2.Die EU beabsichtigt, sich in Zukunft zu erweitern durch den Anschluss von Bulgarien, Rumnien und der Trkei und der Balkanstaaten. Entsprechende Verhandlungen sind im Gang. Bedeutet nun die Zustimmung zu den bilateralen VertrgenII, dass deren Inhalt auch auf die Bevlkerung in der Trkei, in Bulgarien und Rumnien und den Balkanstaaten ausgedehnt werden muss auf den Zeitpunkt des Beitritts jener Lnder zur EU bzw. besteht ein zwingender Konnex zwischen der Abstimmung vom 25. September 2005 und der spteren Gleichbehandlung der avisierten weiteren Beitrittslnder Trkei, Rumnien, Bulgarien und Balkanstaaten? Muss diese Frage vor der Abstimmung vom 25. September geklrt werden oder nachher?
3.Besteht unter Bercksichtigung der schweizerischen Interessen berhaupt ein Handlungsbedarf fr den Abschluss der BilateralenII, um damit die Beschftigung qualifizierter Arbeitskrfte aus den neuen Beitrittslndern in der Schweiz zu ermglichen, oder bewilligen die Behrden heute schon bei nachgewiesenem Bedarf die Beschftigung qualifizierter Berufsleute aus jenen Lndern?
Ist es richtig, dass der Zugang zu neuen Mrkten nicht zur Debatte steht, da per 1. Mai 2004 alle unsere Handelsvertrge mit der EU (v.a. Freihandelsabkommen 1972, Versicherungsabkommen 1989, Wirtschaftsdossier der BilateralenI) automatisch auf die 10 neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt wurden, wobei der Bundesrat als Gegenleistung die Auszahlung einer Milliarde Schweizer Franken vereinbart hat?
4.Trifft es zu, dass nach Inkrafttreten des Abkommens und dem Ablauf der bergangsfristen jedem Osteuroper das Recht zusteht, whrend 6 Monaten in der Schweiz Arbeit zu suchen? (Anhang 1 zum Freizgigkeitsabkommen Schweiz/EU, Artikel 2 (1)).
5.Trifft es zu, dass jeder Zuzger aus den Oststaaten, der hier eine Jahresstelle findet, anschliessend Anspruch hat auf eine Aufenthaltsbewilligung von mindestens 5 Jahren und hier auch bleiben kann, selbst wenn er die ihm angebotene Stelle gar nicht angetreten hat? (Anhang 1, Artikel 6)
6.Trifft es zu, dass eine Aufenthaltsbewilligung immer auch fr die Ehegatten, Kinder, Enkel, Eltern und Grosseltern gilt, soweit der Aufenthaltsberechtigte fr diese bisher aufgekommen ist?
7.Trifft es zu, dass Grenzgnger aus den neuen Beitrittslndern berhaupt keine Aufenthaltsbewilligung fr ihre Arbeit in der Schweiz bentigen? (Anhang 1, Artikel 7)
Mit wie viel zustzlichen Grenzgngern ist bei Annahme des Abkommens zu rechnen?
8.Trifft es zu, dass die Zuwanderer aus den neuen Mitgliedslndern mit ihrem Zuzug Anspruch auf Schweizer Sozialleistungen haben, auf Arbeitslosengelder, Invalidenrenten, Krankentaggeld, Ergnzungsleistungen und dass nicht nur der Zuzger, sondern auch seine Familie in der Heimat hier krankenversichert ist, ohne entsprechende Kontrollmglichkeiten der hiesigen Krankenkassen bezglich des Krankenverlaufs und seiner Behandlung, beispielsweise in der Slowakei?
9.Welche finanziellen Folgen sind mit der Teilnahme der Zuzger aus den neuen Beitrittslndern bezglich der Finanzierung der AHV, der damit verbundenen Ergnzungsleistungen, der IV-Renten und den Ausgaben der Krankenkasse verbunden?
Besteht die Gefahr, dass die Einrichtungen des, gemessen an den Einrichtungen in den 10 neu zur EU gestossenen Lndern, hochgespannten sozialen Netzes der Schweiz durch dessen Ausdehnung auf die Neuzuzger aus den 10 Beitrittslndern finanziell ausgehhlt werden und dass zuknftig die bisher in der Schweiz beitragspflichtigen Personen zustzliche Leistungen zugunsten der Personen aus den neuen Beitrittslndern erbringen mssen?
10.Trifft es zu, dass gemss dem neuen Abkommen bezglich des Zuzuges von selbstndig erwerbenden Personen keine Begrenzung besteht? Ist damit zu rechnen, dass selbstndige Massagenspezialisten, Dirnen, Bartnzerinnen, Hausreinigungsfachleute, Maler, Gipser, Maurer, Teppichleger, Schreiner, Tapezierer und Erbringer von Transportleistungen, Erbringer von Sekretariatsleistungen, Strmetzger ihr Ttigkeitsgebiet als Selbstndigerwerbende in die Schweiz verlegen?
11.Ist es richtig, dass die Slowakei mit einer Arbeitslosenquote von 17,5% (Stand Mai 2005) an ihre Arbeitslosen Beitrge zahlt, wenn sie im Ausland eine Stelle finden?
12.Ist es richtig, dass die Kontingentseinschrnkungen fr die Zuwanderung aus den 15 EU-Staaten bereits 2 Jahre nach Abschluss des Vertrages ber die BilateralenI voll ausgeschpft war? (Arbeitslosenrate Deutschland Mai/Juni 2005 je 11,7%, Arbeitslosenzahlen Frankreich Mai/Juni 2005 je 10,2%)
Welche Schlussfolgerungen und Prognosen mssen aus diesen Gegebenheiten bezglich der Zuwanderung in die Schweiz aus den neu dazugekommenen 10 weiteren Beitrittslndern gezogen werden?
Anmerkung des Presseclub Schweiz:
Rechtsanwlte sind in der Regel sehr vorsichtige Menschen und wagen sich hchst selten aufs Glatteis. Von daher ist anzunehmen, dass vom wirklichen Ausmass einer EU-Ostzuwanderung bisher bloss die Spitze des Eisberges zum Vorschein gekommen ist. Wir raten daher allen Stimmbrgerinnen und Stimmbrgern im Zweifel mit Nein zu stimmen.
In der Basler Zeitung vom 31. August warb ein Forum Finanzplatz Schweiz in grossen Lettern mit dem irrefhrenden Slogan: Die Fortfhrung des bewhrten bilateralen Weges ermglicht der Schweizer Wirtschaft einen privilegierten Zugang zu neuen Wachstumsmrkten. Dies bereichert den Finanz- und Werkplatz. Auch Economiesuisse und andere Befrworter inserieren mit immensem Geldeinsatz mit hnlich irrefhrenden Werbesprchen fr ihre Anliegen. Sie glauben mit Geld die Kpfe des Stimmvolkes manipulieren und sich die Demokratie kaufen zu knnen.
Bei der kommenden Abstimmung geht es nicht um die Wirtschaftsabkommen des bilateralen Weges, sondern um die unbeschrnkte Zuwanderung aus den 10 neuen EU-Ostlndern. Der privilegierte Zugang zu neuen Wachstumsmrkten wurde durch Vereinbarung der Zahlung von einer Milliarde Schweizer Franken bereits auf die 10 neuen Mitgliedsstaaten ausgedehnt, worauf der Jurist Dr. Bernhard Gelzer oben unter Ziffer 3 hingewiesen hat. Die irrefhrenden Verlockungen der Befrworter sind daher mit einem deutlichen Nein zur Personenfreizgigkeit abzulehnen.
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