Letztes Kapitel der Grüninger-Prozess-Farce:
1,3 Millionen-Stiftung unter Dach
(Anfang Mai 1998) Wie nicht anders zu erwarten war, hat der Grosse Rat des Kantons St. Gallen die verlangten 1,3 Millionen für die von den Erben Grüningers noch zu gründende Stiftung für Menschlichkeit und Zivilcourage beschlossen als Wiedergutmachung im moralischen Sinn und Zeichen der Versöhnung. Vergeblichen Widerstand gab es nur von der Freiheitspartei, die sich im Kanton St. Gallen Auto-Partei nennt. Man sah dort keinen Grund, den Fall Grüninger wieder aufzurollen und befürchtete eine internationale Signalwirkung für weitere Geldforderungen. Es gehe nicht um Wiedergutmachung, sondern lediglich um Steuergelder. Der Einwand, es könnten etwa Wehrmänner für ihre jahrelangen Entbehrungen eine Entschädigung verlangen, wurde als abwegig abgetan. Warum eigentlich?
Die übrigen Parteien überschlugen sich, das Verschenken von Steuergeldern als edle moralische Tat in den höchsten Tönen zu loben. Landammann Hans Ulrich Stöckling. verstieg sich zur Behauptung, Grüninger habe ganz sicher vielen Menschen aus höchster Not geholfen und vor dem sicheren Verderben bewahrt. Alle Nebenumstände brauchen uns heute nicht zu interessieren, sagte Stöckling.. Doch, gerade diese Nebenumstände interessieren uns brennend in diesem Fall, wo mit fragwürdigen juristischen und politischen Winkelzügen Unrecht in Recht verkehrt wurde.
Die zunehmende Diskriminierung der Juden in Deutschland war zwar gewiss bekannt, und die gleichen Diskriminierungen waren in sterreich nach dem Anschluss am 13.3.1938 zu erwarten. Das NS-Regime wollte die Juden zur Auswanderung bewegen. Die Schweiz ergriff mit der Grenzsperrung Massnahmen gegen den unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen. Die internationale Flüchtlingskonferenz von Evian vom Juli 1938 war ergebnislos verlaufen. Von einer Errettung aus nationalsozialistischer Vernichtung konnte Grüninger nichts gewusst haben. Der Zweite Weltkrieg begann bekanntlich am 1.9.1939. Grüninger war aber bereits am 6.5.1939 fristlos entlassen worden, nachdem er am 3.4.1939 im Amt suspendiert worden war. Diese Zusammenhänge werden von der Regimepresse systematisch verschwiegen. 1940 wurde Grüninger wegen wiederholter Amtspflichtverletzung und Urkundenfälschung verurteilt. Er fälschte Einreisedaten und Ausweise und bereinigte die Flüchtlingsstatistik. Die Verurteilung war, auch aus heutiger Sicht, völlig korrekt erfolgt. Grüninger hatte gegen ausdrücklichen Befehl den Interessen unseres Landes geschadet. Vor diesen Hintergrund ist die Verschleuderung von 1,3 Millionen Franken eine Provokation der Steuerzahler.
Wie der Fall Grüninger schamlos zu propagandistischen Zwecken instrumentalisiert wird, zeigen die unerträglich selbstgerechten usserungen von Felix Rom, Präsident der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich. Die Schweiz sei im Fall Grüninger endlich am Ziel angelangt. Bis dahin sei viel Unrühmliches geschehen, Es sei zu Fehlleistungen der Schweiz gekommen, zu falschen Reaktionen verschiedener Kreise in der Schweiz während der Zeit des Zweiten Weltkrieges und von der Notwendigkeit für diese Fehler eine Verantwortung zu übernehmen. So lautet die Sprachregelung der Vergangenheitsbewältiger, welche die Schweiz in Sippenhaft nehmen wollen. SP-Nationalrat Paul Rechsteiner äussert sich als Anwalt der Familie Grüninger ähnlich über die Fehler der Vergangenheit.
Die völlig einseitige Kritik ist fehl am Platz. Rom und Rechsteiner blenden die Fehlleistungen der Juden bzw. der Linken, welche heute als Gutmenschen in dieser Sache hingestellt werden, aus. Gemessen an ihren eigenen Ansprüchen, haben sie keinen Deut besser gehandelt als diejenigen, die sie kritisieren.
Fassen wir nochmals zusammen: Trotz der vom Bundesrat verfügten Grenzsperre liess Grüninger 1938 und 1939 als Polizeihauptmann Hunderte hauptsächlich jüdische Flüchtlinge von sterreich in die Schweiz einreisen. In Diepoldsau kamen sie in ein notdürftig errichtetes Lager. Angesichts der damals immer noch anhaltenden Wirtschaftskrise wandte sich die Linke entschieden gegen eine Berufsausübung von Emigranten und befürchtete deren Konkurrenz auf dem knappen Arbeitsmarkt. Das sozialistische St. Galler Parteiorgan Volksstimme schimpfte wegen der jüdischen Flüchtlinge lautstark über die unerwünschte Zuschiebung dieser landesfremden Elemente. Anfang 1939 schrieb das Sprachrohr der St. Galler Linken: Es scheint fast so, als ob gewisse Juden noch nichts gelernt hätten. Je toller man in Deutschland mit ihnen aufräumt, desto anmassender benehmen sich einige von ihnen hier in der Schweiz, speziell in der hiesigen Gegend .... Das ist eine deutliche Sprache.
Auch die Schweizer Judenorganisationen haben heute keinen Grund, sich im Zusammenhang mit der Affäre Grüninger selbstgerecht auf die Schulter zu klopfen. Saly Mayer, Präsident des Israelitischen Gemeindebundes, meldete damals die untragbare Emigrantenschwemme in St. Gallen schriftlich an die Bundesbehörden in Bern. Diese Denunziation spielte bei der Strafuntersuchung und Entlassung von Polizeihauptmann Grüninger eine entscheidende Rolle. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass Sidney Dreifuss (Leiter der Jüdischen Flüchtlingshilfe in St. Gallen und Vater der gegenwärtigen Bundesrätin Ruth Dreifuss) Paul Grüninger während der Untersuchung mehrfach belastete und sich ausdrücklich von dessen Gebaren distanzierte. Dreifuss sprach von unerwünschten Elementen unter den Flüchtlingen und beurteilte die Haltung der Polizei als eher entgegenkommend (sic!). 1984 äusserte sich ein Vertreter der jüdischen Gemeinde St. Gallen im Tages-Anzeiger-Magazin, er stehe zur Behauptung, dass die Leitung der Schweizer Juden an der unlimitierten Einreise von Emigranten kein Interesse gehabt hätte; unerklärlich ist nur, dass man später nicht zu dieser Meinung stand. Diese Schlussfolgerung ist völlig abwegig. Die fehlende Unterstützung beweist nur, dass die jüdischen Organisationen der Verurteilung Grüningers zustimmten. Richtig ist, dass die Gutmenschen heute nicht mehr zur damaligen Meinung stehen, weil dies der Erpressung um Wiedergutmachung und dem andauernden Gesinnungsterror gegen Andersdenkende hinderlich wäre.