Das Bundesgericht hat den Kopf verloren

Parteientschädigung von CHF 100'000 an Holocaust-Überlebenden trotz Klageabweisung

RuF Aktuell (26.1.2000) Der in Australien lebende ehemalige Auschwitz-Insasse Joseph Spring (geb. 1927) hatte vom Bundesrat (Schweizer Regierung) vergeblich eine Wiedergutmachung von 100'000 Franken gefordert dafür, dass er von der Schweiz als Flüchtling während des Zweiten Weltkriegs ins besetzte Frankreich abgeschoben wurde. Spring gelangte darauf ans Bundesgericht. Dieses hat nun am 21.1.2000 seine Klage abgewiesen. Rein juristisch gebe es keinen Anspruch auf eine Wiedergutmachung, aber aus moralischen Gründen sprach ihm das Gericht eine Parteientschädigung (also als Spesenersatz) die geforderten 100'000 Franken zu. Spring gab sich enttäuscht und sprach von einem politischen Entscheid, machte aber einen zufriedenen Eindruck.

Wenn man bedenkt, wie knauserig das Bundesgericht sonst bei Entschädigungen ist, ist dieses Geschenk an einen unterliegenden Kläger unglaublich und einzigartig in der schweizerischen Justizgeschichte. Indem es die geforderte Summe über die Hintertür der Parteientschädigung zusprach, hat das Bundesgericht das Verfahrensgesetz gebeugt. Eine Entschädigung vor Gericht erhält nämlich nur derjenige, der Recht bekommt. Nun kann auch die Schwester von Charles Sonabend, Sabina Sonabend, kommen und anstelle ihres Bruders, der nicht mehr im Spiel ist, da er sich der Sammelklage in New York angeschlossen hatte, und unter Berufung auf die Gleichbehandlung eine Parteientschädigung fordern.

Der Bundesrat hatte am 23.6.1998 Springs Wiedergutmachungsforderung von 100'000 Franken, wie schon früher diejenige von Charles Sonabend, abgewiesen. Dieser Entscheid war richtig, denn, abgesehen davon, dass allfällige Ansprüche nach Jahrzehnten längst verjährt und verwirkt sind, fehlt für eine Wiedergutmachung jede Rechtsgrundlage. Die von den Achsenmächten eingeschlossene Schweiz hatte damals ihre legitimen Interessen gewahrt gegen einen übermässigen Zustrom von Flüchtlingen, die niemand haben wollte. Es wäre einzigartig und komplett verfehlt, hier aus moralischen Überlegungen eine Anspruchsgrundlage zu konstruieren. Genau das hat aber das Bundesgericht faktisch jetzt getan. Zahlungen aus öffentlichen Mitteln für Folgen des Zweiten Weltkrieges, für welche die Schweiz nicht verantwortlich ist, hätten unkontrollierbare und weitreichende Folgen für die Bundeskasse. Als ehemaliger Zwangsarbeiter kann Spring immer noch Ansprüche in Deutschland stellen. Springs Genugtuungsklage kann nur vor dem Hintergrund der damaligen Erpressungskampagne gegen die Schweiz verstanden werden. Spring wie Sonabend mögen unnötig hart behandelt worden sein, was bedauerlich ist. Für Kompensationszahlungen seitens der Schweiz besteht kein Grund.

Wie nun auch das Bundesgericht wie vorher der Bundesrat richtig feststellte, sind Ansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz gegen die Schweiz nach 10 Jahren verjährt und somit längst verwirkt. Eigentlich ist es eine Dreistigkeit, bei dieser klaren Rechtslage nach über 50 Jahren eine solche Klage einzureichen. Spring wurde zum Prozess angestiftet durch die linksextreme Wochenzeitung (WoZ) und vertreten von Paul Rechsteiner, Rechtsanwalt und sozialistischer Nationalrat, der schon bei der Grüninger-Posse seine Finger im Spiel hatte.

Springs Anwalt wirft den Schweizer Behörden vor, sie hätten beim nationalsozialistischen Völkermord Beihilfe geleistet. Rechsteiner schrieb: Gehilfe ist, wer vorsätzlich in untergeordneter Stellung die Vorsatztat eines andern fördert. Dass die Organe des Nazi-Staates die systematische Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden und damit diejenige des Klägers anstrebten, steht als Haupttat ausser jedem Zweifel. Verbrechen gegen die Menschheit beziehungsweise Völkermord sind nach internationalem Recht unverjährbar. Solche Verbrechen [gegen die Menschheit] hätten keinen Anspruch auf das in der gesetzlichen Einrichtung der Verjährung zum Ausdruck kommende Recht auf Vergessen. Die besondere Bedeutung der Nazi-Verbrechen wird in der [40-seitigen] Klageschrift ausser mit juristischen auch mit zahlreichen historischen und philosophischen Argumenten unterstützt: Mit Bezügen zu den Werken von Theodor W. Adorno, Karl Jaspers, Hannah Arendt und Saul Friedländer etwa.

Der Bundesrat habe [Springs Klage] mit tiefempfundenem Mitgefühl und Bedauern abgewiesen, so Rechsteiner weiter. Er habe bestritten, dass sich die Schweiz aus juristischer Sicht schuldhaft verhalten habe, dies obwohl die Schweizer Behörden mit der Auslieferung Springs an die Nazis über die systematische Ausrottung der Juden bereits im Detail Bescheid gewusst hatten. Das ist ein harter Vorwurf. Diese Details harren noch der Überprüfung.

Zwar hat das Bundesgericht nun den Vorwurf der Beihilfe zum Völkermord abgewiesen, doch wird im Zuge der Vergangenheitsbewältigung in den Medien seit einiger Zeit, insbesondere nach dem im Dezember 1999 erschienen Bergier-Bericht immer wieder behauptet, der Bundesrat habe bereits während des Krieges gewusst, dass in den Konzentrationslagern der Nazis Juden vernichtet würden. So stellte Felix E. Müller in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 22.6.1998 im Zusammenhang mit der Wiedergutmachungsforderung von Joseph Spring gegenüber dem Bundesrat die Behauptung auf: Im November 1943 war die Existenz von Vernichtungslagern bekannt; wer jdische Flchtlinge zu diesem Zeitpunkt direkt den Deutschen bergab, berantwortete diese dem fast sicheren Tod.

Spring war mit zwei Cousins zum zweiten Mal und dazu noch mit gefälschten Papieren in der Schweiz aufgegriffen worden, weshalb sie direkt der deutschen Grenzwacht in dem damals besetzten Frankreich übergeben wurden. Dies war den drei das erste Mal angedroht worden. Spring war also vorgewarnt. Besonders verbitterte ihn jedoch, dass die Schweizer Behörden ihn und seine Cousins bei der Übergabe an die Deutschen als Juden denunziert und diesen ihre Originalpapiere ausgehändigt hätten, die sie nebst den gefälschten dabei hatten. Ein solches Vorgehen war sicher fragwürdig. Man wollte wohl sicherstellen, dass sie nicht mehr kamen. Nach einem Gefängnisaufenthalt sei er via das Sammellager Drancy bei Paris mit seinen beiden Cousins, Sylver (14) und Henri (21) Henenberg mit der Eisenbahn nach Auschwitz deportiert worden. Noch am Tag der Ankunft seien seine Cousins vergast worden, behauptet Spring. Bei der Ankunft im Lager sei den Leuten sinngemäss gesagt worden, dass alle, die müde oder krank seien, mit dem Lastwagen ins Lager fahren könnten. Spring erwähnt also die berühmte Selektion an der Rampe nicht. Er selber (damals 17) habe sich entschieden, zu laufen. Der schon seit längerer Zeit schwer lungenkranke Henri stieg auf den Lastwagen. Sein Bruder Sylver ging mit ihm. Spring, der ursprünglich Sprung hiess, hat wie Unzählige andere die Nazi-Vernichtungsmaschinerie auf wunderbare Weise berlebt (NZZ). Dies zwei Jahre lang. Spring arbeitete als Schweisser im Buna-Werk, dass zum industriellen Lagerkomplex Auschwitz gehörte. Seine Erlebnisse schilderte Spring in einem Interview gegenüber dem WoZ-Redakteur Stefan Keller (www.woz.ch). Es wäre wünschenswert, wenn dieser etwas gründlicher nachgefragt hätte.

Um die Frage der Verantwortlichkeit des damaligen Bundesrates, d.h. seinen damaligen Wissenstand abzuklären, hat der Herausgeber von , Ernst Indlekofer im Oktober 1995 den Artikel Skandal im Bundeshaus publiziert, der auf einem Briefwechsel mit heutigen Bundesstellen beruht und den Briefwechsel mit den bedeutendsten Historikern der Zeit des Zweiten Weltkrieges Prof. E. Bonjour und Prof. J. R. von Salis wiedergibt. Diese bestätigen, dass sie bis nach dem Ende des Krieges nichts von Gaskammern gewusst haben.

Unter anderem wegen dieses Artikels wurde Ernst Indlekofer vom Basler Strafgericht mit Gefngnis wegen Rassendiskriminierung bestraft, weil er mit scheinwissenschaftlichen Argumenten den Holocaust geleugnet habe, wobei das historische Geschehen und das Wissen des damaligen Bundesrates darber absichtlich vermengt wurden. Was ist das fr ein Land, wo man mit Gefngnis bestraft wird, wenn man die entscheidenden historischen Fragen stellt und auf Unstimmigkeiten hinweist, die dem Land ntzlich sein knnen in einer Auseinandersetzung, wo Milliardenzahlungen gefordert werden? Bezeichnend fr die jämmerliche Haltung der Bundesbehörden ist ihre Weigerung, zu den einfachen Fragen Indlekofers klar Stellung zu beziehen.