Gegen die Geschichtsklitterung

Von Juks Lohn

Erwiderung auf einen Beitrag von us in der Schweizerzeit vom 15.8.2001: Die Heldendarstellung Winston S. Churchills lst sich bei nherem Hinsehen in Schall und Rauch auf. Als verlngerter Arm Roosevelts war er einer der grssten Kriegshetzer des vergangenen Jahrhunderts. Schon als Kind besass er eine riesige Sammlung von 1500 Zinnsoldaten. Er soll sogar noch mit ihnen gespielt haben, whrend sich Gleichaltrige bereits anderen Dingen zuwandten. Seine Soldaten waren rein britisch, erzhlte er, und er lieferte sich Schlachten mit seinem Bruder Jack, dem er nur erlaubte, farbige Truppen zu haben, und sie durften keine Artillerie haben.1 Er tat sein usserstes, um in ein Gefecht zu kommen, wo immer ein Krieg stattfand.2 Er liebte den Krieg wie nur wenige moderne Menschen.3 Er wnschte sich mehr Kriege, als es tatschlich gab. Dabei war er machthungrig und ohne eigene Prinzipien, und er war ein konsequenter Opportunist.4 Besessen von der Idee, nicht nur Hitler zu besiegen, sondern Deutschland zu vernichten, liess Churchill die Gefahr durch eine sowjetische berflutung Europas ausser acht, bis es bereits viel zu spt war, und obwohl er lange Zeit hindurch Antikommunist und glhender Gegner des Bolschewismus war. In einem Artikel vom 8.2.1920 im Illustrated Sunday Herald beschrieb Churchill den Bolschewismus als jdisches bel (A Struggle for the Soul of the Jewish People). Damit teilte Churchill mit Hitler und nahezu allen brgerlichen Europern dasselbe antibolschewistische Motiv. Anfnglich verfocht er den Gedanken, man msse Deutschland nun, nach seiner Niederlage im Ersten Weltkrieg, zum festen Bollwerk gegen die Gefahr des Bolschewismus machen, gegen die Flut der roten Barbarei, die vom Osten heranbrandet5, wie er sich ausdrckte. Churchill pries den siegreichen Kampf des Faschismus gegen die tierischen Gelste und Leidenschaften des Leninismus und behauptete, dass dies das notwendige Gegengift gegen das kommunistische Gift sei.6 Doch 1941 wechselte er seine Meinung und gewhrte Stalin bedingungslose Untersttzung, hiess ihn als Verbndeten willkommen und umarmte ihn als Freund. Er unterdrckte die Beweise, dass 14500 polnische Offiziere im Wald von Katyn von den Sowjets mit Genickschuss ermordet worden waren (jahrelang bezichtigte man dieses Massenmordes die Deutschen) und bemerkte: Es bringt nichts, um die drei Jahre alten Grber von Smolensk herumzuschleichen.7 In seinen Memoiren zum Zweiten Weltkrieg betont er, ein wesentlicher Teil der Kriegfhrung sei gewesen, neutrale Lnder in Feindseligkeiten mit dem Feind zu verwickeln: Es gibt im Krieg vielerlei Manver, von denen nur manche auf den Schlachtfeldern stattfinden. [] Der Kunstgriff, der einen Verbndeten ins Feld bringt, ist ebenso dienlich, wie ein Sieg in einer grossen Schlacht.8 Churchills Heldendarstellung erklrt sich aus seiner harten Linie gegenber Hitler in den 30er Jahren. Doch er vertrat eine ebenso harte Linie gegen die Weimarer Republik und er wies, schon bevor Hitler zur Macht kam, alle Forderungen nach alliierter Abrstung zurck.9 In der Welt war man ber den unglaublichen Erfolg Hitlers Wirtschafts- und Sozialpolitik verblfft. Fr diese Erfolge wurde Deutschland bewundert und zugleich beneidet. Churchill sagte in einer Rede vom 11. November 1937: Man kann Hitlers System nicht mgen und dennoch seine patriotischen Errungenschaften bewundern.10 So war ihm auch der Nazismus lieber als der Kommunismus: Ich will nicht vorgeben, dass ich, wenn ich zwischen Kommunismus und Nazismus whlen msste, den Kommunismus whlen wrde.11 Ausser seiner Liebe fr den Krieg galt ihm als bleibende Liebe seines Lebens noch etwas: das britische Weltreich. Berhmt ist sein Ausspruch, dass er nicht Premierminister geworden sei, um den Vorsitz bei seiner Liquidation zu fhren. Aber natrlich tat er genau das: er verscherbelte das britische Reich und alles andere fr einen totalen Sieg ber Deutschland. (Quelle: VffG 2/200112)


Fussnoten

Die nachfolgend in Klammern aufgefhrten Ziffern geben die Fussnoten in VffG 2/2001 an.

 1 (20) Basil Lidell Hart, The Military Stategist, in A. J. P. Taylor u.a., The Statesman in ders. u.a. Churchill Revised: A Critical Assessment, Dial Press, New York 1969, (Anm. 17), S. 173f.

 2 (21) Ebenda, S. 174.

 3 (22) Churchill teilte der Tochter des Premierministers Asquith 1915 mit: Ich weiss, dass dieser Krieg jeden Tag das Leben von Tausenden zerschmettert und erschttert, und dennoch, ich kann mir nicht helfen, ich liebe jede Sekunde davon. Michael Howard, Churchill and the First World War, in Robert Blake, William Roger Louis (Hg.), in Churchill, Norton, New York 1993, (Anm. 2), S. 129.

 4 (8) A. J. P. Taylor, aaO., in ders. u.a. Churchill Revised: A Critical Assessment, S. 26.

 5 E. Malcolm Caroll, Sowjet Communism and Western Opinion 19191921, in Rudolf Czernin, Das Ende des Tabus, Leopold Stocker Verlag, Graz-Stuttgart 19992, S. 56.

 6 (13) Churchill Extols Fascismo for Italy, New York Times, 21.1.1927.

 7 (15) Norman Rose, Churchill: The Unruly Giant, Free Press, New York 1994, S. 378.

 8 (57) Winston Churchill, The World Crisis, Scribners, New York 1931, S. 300.

 9 (64) Dietrich Aigner, Winston Churchill (18741965), in Rolf K. Hocevar u.a. (Hg.), Politiker des 20. Jahrhunderts, Bd. 1: Die Epoche der Weltkriege, Beck, Mnchen 1970, (Anm. 4), S. 100103.

10 R. Czernin, aaO., S. 41 und (13) Robert Rhodes James, Churchill the Politician, (Anm. 10), S. 118.

11 (69) B. L. Hart, aaO., (Anm. 17), S. 204.

12 Prof. Dr. Ralph Raico, in Vierteljahreshefte fr freie Geschichtsforschung (VffG), Castle Hill Publishers,
PO Box 118, Hastings TN34 3ZQ, Grossbritanien, S. 188. Fussnoten 5 und 10 in R. Czernin, aaO. Zusammengefasst und zitiert von Jukcs Lohn.