Schengen/Dublin
Kommt der EU-Haftbefehl?
Gegen den Beitritt der Schweiz zum Schengen/Dublin-Abkommen und der Personenfreizgigkeit fr die 10 neu hinzugekommenen EU-Lnder haben die SVP, SD, AUNS und weitere das Referendum ergriffen. Sollte die Annahme dieser zwei Vertrge von den Stimmbrgern nicht verhindert werden, wre ein EU-Beitritt der Schweiz in greifbare Nhe gerckt, hat doch Bundesrtin Calmy-Rey unverhohlen angekndigt: Mit den Vertrgen Den Boden fr einen raschen EU-Beitritt zu bereiten (vgl. 6-7/2004). Wie der Beitritt zu Schengen/Dublin die Schweizer Rechtsordnung umstrzen knnte, sei anhand des EU-Haftbefehls aufgezeigt, dessen einschneidende Konsequenzen vom ganzen Spektrum der Meinungsmacher beharrlich verschwiegen und von den Bundesrten Calmy-Rey und Deiss sogar bestritten werden:1 Damit haben diese zwei Bundesrte bei Mitbrgern, die noch klaren Verstandes sind, ihre Glaubwrdigkeit verspielt.
EU-Haftbefehl fr die Schweiz?
Der Schengen-Vertrag mit dem das Volk in die EU-Falle gelockt werden soll, kann von Brssel jederzeit weiterentwickelt werden (dynamisches Vertragswerk). Sobald der EU-Haftbefehl diesem Vertrag einverleibt wird, wre er auch fr die Schweiz wirksam. Gemss dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates ber den EU-Haftbefehl und die bergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten ersetzt dieser ab 1. Januar 2004 die Regelungen
= |
des europischen bereinkommens ber die Auslieferung aus dem Jahre 1996 und alle frheren diesbezglichen Vereinbarungen; und |
= |
der diesbezglichen Bestimmungen des bereinkommens von Schengen. |
Fr die Schweiz war bisher die Auslieferung durch das IRSG und dem oben erwhnten bereinkommen von 1957 geregelt (StGB Dr. Jrg Rehberg 1995, S. 10). Der EU-Haftbefehl dient der leichteren Fahndung und Auslieferung von Strafttern innerhalb der EU. Wird ein Tatverdchtigter mit diesem Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben, mssen die Polizei- und Justizbehrden des jeweiligen Landes bei der Suche und Festnahme helfen. Der EU-Haftbefehl ist in allen EU-Mitgliedsstaaten sptestens am 16. Juni 2004 rechtskrftig geworden. Jedoch werden die 10 neuen EU-Mitgliedsstaaten den EU-Haftbefehl da sie sich frhestens im Jahre 2007 am Schengener Informationssystem beteiligen vorerst auf dem Weg von Interpol bermitteln. Das Hamburger Abendblatt berichtete am 27.12.2004 in seiner Weltnetz-Ausgabe, die Justizminister der EU htten am Wochenende in Dublin ber weitere Richtlinien fr eine Rechtsvereinheitlichung in Europa beraten.
Die Brger werden hinters Licht gefhrt
In Zukunft knnen gesuchte Verdchtigte berall in der EU schnell zu einem Gerichtsverfahren an den Staat bergeben werden, in dem die zugrunde liegende Straftat begangen wurde, schreibt die Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit in Brssel (GJFS). Die Straftat muss jedoch nicht, wie man dem naiven Brger glauben machen mchte, tatschlich in jenem Staat begangen worden sein. Es gengt, wenn die Straftat in jenem Staat vom Strafgesetz erfasst ist. Von nun an wird die routinemssige bergabe von mutmasslichen Strafttern an die Nachbarstaaten von Justizbehrden berwacht, wobei ihre Menschenrechte bercksichtigt werden (GJFS). Was die Auslieferung eines bloss verdchtigten Brgers an einen ihm vllig fremden Staat/Kulturkreis mit seinen Menschenrechten zu tun hat, wissen nur die hochbezahlten Funktionre der GJFS in Brssel. Dass diese in ihrem Namen das Wort Freiheit fhrt analog Freiheit fr die ganze Welt (George W. Bush) muss in Anbetracht zunehmender Staatsrepressionen als purer Zynismus der Machthaber Europas gesehen werden.
Wie funktioniert der Europische Haftbefehl?
Die EU-Mitgliedslnder knnen die berstellung ihrer Brger zu einem Gerichtsverfahren in einem anderen EU-Mitgliedsstaat nicht mehr ablehnen und mssen Verdchtigte verhaften und an das EU-Land ausliefern, das den Haftbefehl ausgestellt hat. Eines der bisher grssten Hindernisse fr eine erfolgreiche Auslieferung war das Prinzip, wonach die zur Last gelegte Straftat in jedem der beiden beteiligten Lnder als Delikt behandelt wird (beiderseitige Strafbarkeit). Der EU-Haftbefehl schafft die beiderseitige Strafbarkeit fr 32 in einer Positiv-Liste gefhrten Straftaten ab, schreibt die GJFS.
Bei folgenden Straftaten kann eine Auslieferung ohne berprfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit erfolgen: Terrorismus, Menschenhandel, Korruption, Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Geldflschung, Ttung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Vergewaltigung, Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen, Betrug, einschliesslich Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europischen Gemeinschaften [sic!]. Der genau prfende Leser wird sicher bemerken, dass Bigamie (mehrfache Ehe) in allen christlichen Lndern strafbar, in der Schweiz mit Gefngnisstrafe bis zu drei Jahren nicht vom EU-Haftbefehl erfasst wird. Solches nicht nur festzustellen, sondern auch noch zu schreiben, knnte jedoch als rassistisch oder fremdenfeindlich ausgelegt werden, was ganz vom Entscheid des jeweiligen (ev. trkischen) Richters abhngig wre.
Der europische Haftbefehl zielt mit den insgesamt 32 Deliktgruppen keineswegs nur auf die besondere Schwerkriminalitt und Terrorismus, sondern versucht offensichtlich in einem Aufwasch auch Alltagskriminalitt und alle bei Fragen der Auslieferung anstehenden Probleme mit einem Federstrich zu lsen: Delikte, die in einem Mitgliedsland hchstens mit einer geringfgigen Geldbusse geahndet werden, knnten zur Verhaftung und Auslieferung eines Brgers an einen dritten Staat (nach Aufnahme in die EU auch an die Trkei) fhren, wenn der gleiche Tatbestand dort (nicht aber im Auslieferungsland) mit Gefngnis bestraft wird. Der Leser denke jetzt nicht, das kann ja mir nicht passieren. Vielleicht trifft es unverhofft den eigenen Sohn, die Tochter, Bruder oder Schwester.
Die EU-Diktatur der Demokratie
Das Hamburger Abendblatt teilt weiter mit, dass der Haftbefehl im Vorfeld zu heftigen Diskussionen gefhrt habe. So htten rund 120 deutsche Strafrechtler an den Bundestag appelliert, den EU-Rahmenbeschluss nicht zu bernehmen. Initiator Bernd Schnemann, Jura-Professor an der Universitt Mnchen, htte gegenber dem Abendblatt seine Ablehnung bekrftigt: Der Europische Haftbefehl ist rechtsstaatlich inakzeptabel. Das hat die Bundesregierung Deutschlands nicht gehindert, den EU-Haftbefehl in Rechtskraft zu setzen.
Der EU-Haftbefehl wird die gesamte EU zu einem wahrhaftigen Archipel Gulag machen. Er sieht u. a. vor:
32 extrem schwammig definierte und daher fast beliebig auslegbare Straftatbestnde (hnlich dem Antirassismusgesetz 261bis StGB in der Schweiz); |
|
unter ihnen tatschlich schwere Verbrechen wie Terrorismus, Ttungsdelikte oder Menschenhandel. Aber auch unklare Begriffe wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Cyberkriminalitt oder Betrug. Terrorismus ist aber nicht so eindeutig wie fast alle meinen. Im EU-Mitgliedstaat Griechenland gilt bereits Drohung mit der Beschdigung ffentlicher Gter (ich haue alles kurz und klein) als Terrorismus;2 |
|
als Rassismus sollen alle nicht nher eingegrenzten Diskriminierungen gelten, die sich auf die Volkszugehrigkeit, Religion oder weltanschauliche berzeugung anderer (!) Menschen grnden. Die jeweils eigenen Vlker etwa Schweizer oder Deutsche drfen offenbar ohne strafrechtliche Folgen beliebig diskriminiert werden! Wer gegen die berfremdung seines Landes kmpft, knnte schon bald nach Litauen ausgeliefert werden. Litauen hat pnktlich zum Inkrafttreten des EU-Haftbefehls das schrfste Antirassismusgesetz der EU eingefhrt. Die Brsseler EU-Kommission hat Litauen bereits 30 Millionen Euro als Soforthilfe bereitgestellt, um die vllig ungengenden Haftkapazitten des Landes kurzfristig zu verdreifachen;3 |
|
die Ausweitung der 32 Paragraphen auf smtliche Straftaten berhaupt ist bereits ins Auge gefasst; |
|
es gengt die blosse Beschuldigung seitens des die Auslieferung begehrenden Mitgliedsstaates, um dem Auslieferungsbegehren stattzugeben, so dass selbst jede von vornherein falsche, aus der Luft gegriffene Beschuldigung unweigerlich zur Deportation fhren kann; |
|
das Vermgen jedes Beschuldigten kann eingezogen werden (Rahmenentscheid 2003/577/GAI), so dass er keine finanziellen Mittel zu seiner Verteidigung mehr besitzt.4 |
Zufolge einer Untersuchung des Juristen und ehemaligen Richters Dr. Carlo Alberto Agnoli zieht der EU-Haftbefehl ganz offenbar die nachstehenden beabsichtigten Folgen nach sich:
kein EU-Brger, ja berhaupt kein Mensch, kann die brigens stndigen nderungen unterworfenen Strafgesetzbcher aller derzeit bereits 25 EU-Mitgliedsstaaten kennen; |
|
also schwebt jeder EU-Brger stndig in Gefahr, gegen ihm unbekannte auslndische Strafgesetze zu verstossen und zum Verbrecher zu werden; |
|
selbst wenn er gegen nichts verstossen haben sollte, sind boshafte Auslegungen, aber auch erdichtete Anschuldigungen jederzeit mglich; |
|
nur wer sich ergeben duckt und gegen nichts mehr aufmuckt, kann zumindest hoffen, von der stndig drohenden Einkerkerung irgendwo im fernen EU-Ausland verschont zu bleiben; |
|
smtliche brgerlichen Freiheiten sind de facto abgeschafft, die EU wird zur brutalen totalitren Diktatur! |
Rechtsstaatliche Grundprinzipien ausgeschaltet
Auch Wolfgang Kaleck, Generalsekretr der Europischen Demokratischen Anwlte, lsst am EU-Haftbefehl keinen guten Faden: Europa konstituiert sich mehr und mehr als einheitlicher kriminalgeographischer Raum. Dies bedeutet im Moment eine stndig zunehmende grenzberschreitende Strafverfolgung und Ausweitung der Kompetenzen fr die Strafverfolger ohne Ausgleich auf der Ebene des Rechtsschutzes und der Verfahrensrechte. [] Dadurch drohen die Architektur des Strafverfahrens als fairer Prozess und die rechtsstaatliche Gesamtbalance zerstrt zu werden. Nur innerhalb des einzelnen Mitgliedsstaates der EU gibt es eine ffentlichkeit.5 [Die ffentlichkeit besteht aus Menschen die mit dem Beschuldigten in einer persnlichen/kulturellen Beziehung stehen; z.B. Familienangehrige, Freunde, Arbeitskollegen, Bekannte, Journalisten.] In diesen garantieren eine organisierte Strafverteidigerschaft und jahrzehntelange Auseinandersetzungen in Strafverfahren zwischen Verteidigung, Richtern und Staatsanwlten dafr, dass ein Angeklagter im Verfahren wenigstens eine Chance hat.
Auf EU-Ebene fehlen jedoch die Akteure, die sich fr die Grundprinzipien des Strafprozesses und die Rechte der Beschuldigten und dessen Verteidigung einsetzen: Eine europische demokratische ffentlichkeit gibt es nicht, wenige Anwalts- oder Brgerrechtsorganisationen agieren auf europischer Ebene, noch weniger verfgen sie ber eine Vertretung in Brssel, die Strafverteidigung taucht weder als Verfassungs-, noch als Verfahrensprinzip in den Entwrfen der EU-Verfassung auf, noch spielt sie eine Rolle bei der Europischen Kommission und dem Europischen Rat; im brigen werden Strafverteidiger von den europischen Institutionen an den anstehenden grundlegenden nderungen in keiner Weise gebhrend beteiligt.
Fremde Richter wie vor 1291
Der EU-Haftbefehl wrde unsere verfassungsmssigen Rechte aushebeln: Gerichtsverhandlungen mssen (ausser in klar bestimmten Fllen) der ffentlichkeit zugnglich sein. Einem Deportierten wrde die freie Wahl des Verteidigers genommen, da Unvermgende wohl kaum die Reisekosten eines Anwalts z.B. nach Prag bezahlen knnten (vgl. auch oben Einzug des Vermgens). Laut Bundesverfassung darf niemand ohne sein Einverstndnis einem fremden Richter berstellt werden ( 25 BV).
Wer den EU-Haftbefehl nicht will, sage Nein zu Schengen.
Ach ja, fast htten wir es vergessen: Behrdenpropaganda und Volksbetrug fehlen bei den Delikten des EU-Haftbefehls.
Der europische Haftbefehl
Kommt der EU-Haftbefehl auch fr die Schweiz?
Die ersten 653 Festnahmen und 104 Verschleppungen
Fussnoten
1 Vermutlich wegen der gezielten Verbreitung unserer Sonderausgabe ab Mitte Dezember zu diesem Thema hat NR Ulrich Schler in der Schweizerzeit vom 14. Januar 2005 zu dieser Angelegenheit dann doch noch einen umfangreichen Beitrag geschrieben. Das Bestreiten des Sachverhaltes durch die zwei Bundesrte haben wir diesem Beitrag entnommen.
2 Alberto Agnoli, Der europische Haftbefehl der krzeste Weg in die Tyrannei ,S. 48f. Broschre Format A5, 62 Seiten. Bestelladresse: Verlag Anton A. Schmid, Postf. 22, D87467 Durach. Telefax (Nummer fr die Schweiz): . Staffelpreise: fr 1 Expl. 3 Euro, fr 5 Expl. 13,50 Euro usw., zuzglich Versandkosten fr 1 bis 5 Expl. 2 Euro.
3 ebd. S. 37f
4 ebd. S. 11, Fussnote 6
5 Die ffentlichkeit besteht aus Menschen die mit dem Beschuldigten in einer persnlichen/kulturellen Beziehung stehen; z. B. Familienangehrige, Freunde, Arbeitskollegen, Bekannte, Journalisten.