Der Fall Ferraglia

Jrgen Graf

 

Roger Garaudy ist einer der bekanntesten französischen Philosophen der Nachkriegszeit. Über 50 Bücher hat er publiziert, und die Verlage stritten sich um die Ehre, sich mit seinen Titeln schmücken zu dürfen. Er war Protestant, Katholik, während des 2. Weltkriegs Widerstandskämpfer und als solcher längere Zeit in einem Konzentrationslager interniert, später stalinistischer Kommunist und in dieser Eigenschaft Chefideologe der französischen KP und Mitglied ihres Zentralkomitees, ehe er in den achtziger Jahren zum Islam übertrat. All diese Wandlungen wurden von den Meinungsmachern toleriert: Schliesslich geniesst der mündige Bürger im Land der grossen Revolution von 1789 ja Glaubens- und Gewissensfreiheit!

Doch als der inzwischen 82jährige Garaudy anfang 1996 ein Buch mit dem Titel Les mythes fondateurs de la politique israélienne (Die Gründungsmythen der israelischen Politik) veröffentlichte, war es mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit des mündigen Bürgers und ähnlichen Scherzen im Nu vorbei. Auf rund 75 Seiten des Werks vertrat der Philosoph nämlich rein revisionistische Thesen: Er prangerte den Mythos von der Gerechtigkeit des Nürnberger Prozesses an, erklärte die Zahl von 6 Millionen jüdischen Holocaust-Opfern zur unverantwortlichen Übertreibung und liess, ohne die Existenz der Gaskammern ausdrücklich zu bestreiten, deutlich erkennen, dass er nicht daran glaubt.1 Monatelang zogen die gleichgeschalteten französischen Medien darauf gegen Garaudy vom Leder, ohne mit einem einzigen Wort erahnen zu lassen, was denn nun eigentlich in seinem Buch stand.

Für den mit der Materie Vertrauten bot Garaudys Werk nichts Neues; der illustre Denker hatte nämlich einfach von anderen Revisionisten, namentlich Robert Faurisson, abgeschrieben, freilich ohne seine Quellen zu nennen. Was die Berufslügner in Panik versetzte, war nicht die (mittelmässige) Qualität des Buchs, sondern die Zugkraft des Namens Garaudy, hatte man es nun doch mit einem langjährigen Säulenheiligen der Linken zu tun, den man ganz unmöglich Neonazi taufen konnte. Noch vertrackter wurde die Lage für die Nutzniesser der Grossen Lüge, als sich im Frühling 1996 Abbé Pierre, eine weitere Kultfigur des linken Lagers, im Namen der Meinungsfreiheit mit Garaudy solidarisierte.

Am 27. Februar 1998 ist Garaudy in Paris aufgrund der Loi Gayssot, die den historischen Revisionismus in Frankreich zum Delikt erklärt, zur Zahlung von insgesamt 240'000 Francs verurteilt worden (120'000 Francs Busse sowie weitere 120'000 Francs Gerichtskosten und Sühnegelder an diverse Judenorganisationen).

Für die französischen Zionisten war der Fall Garaudy mitsamt dem Prozess eine gigantische Katastrophe: Er öffnete der französischen Bevölkerung erstmals die Augen darüber, dass eine Minderheit von vielleicht 2% der Bevölkerung2 heute in Frankreich das Sagen hat, und führte endlich zu einer massiven Solidarisierung der islamischen Welt mit dem Revisionismus3. Die zynische Heuchelei der westlichen Demokraten, die einen Salman Rushdie gegen die islamische Intoleranz verteidigen und gleichzeitig Kritiker des Zionismus und seiner Mythen vor Gericht zerren, muss in der Tat jeden Moslem zur Weissglut treiben.

Eine von R. Faurisson stammende brillante Darstellung des Falls Garaudy/Abbé Pierre ist auf Internet abrufbar.4

Bei einer Anfang Dezember 1997 in Vevey durchgeführten Justizposse wurde der Verleger Aldo Ferraglia, ein italienischer Staatsbürger, wegen der Verbreitung des Garaudy-Buchs sowie anderer revisionistischer Werke zu vier Monaten Gefängnis bedingt sowie zur Zahlung von 28'000 Fr. Sühnegeld an drei Judenorganisationen (Fédération Suisse des Communautés Israélites; LICRA; Fils et Filles de Déportés Juifs de France) verurteilt; ferner wurden ihm die Gerichtskosten in Höhe von 15'075 Fr. aufgebürdet.5 Ferraglias Verdonnerung zur Zahlung von Bussgeldern an Judenorganisationen, darunter eine ausländische (!), stellte in der Schweiz ein Novum dar, ist aber in Frankreich längst gang und gäbe: Für die französischen Judenorganisationen sind die Terrorprozesse gegen Revisionisten und Rassisten nämlich seit Jahren ein höchst einträgliches Geschäft, werden ihnen doch regelmässig zu Lasten der Verurteilten gehende finanzielle Genugtuungen für die seelischen Leiden zuerkannt, welche die armen Juden durch die Aktivitäten der Verurteilten erlitten haben.

Genau wie das Verfahren gegen Dr. Walter Fischbacher lief auch jenes gegen Aldo Ferraglia äusserst harzig an. Der Generalstaatsanwalt des Kantons Waadt schrieb nämlich im Mai 1996:6

Es stellt sich doch die Frage, in welchem Umfang die neuen Regelungen sich auf das Problem des Revisionismus beziehen. Fällt eine Leugnung der Shoa7 unter das Gesetz? Ich neige viel mehr der Auffassung zu, dass der Geist des neuen Gesetzes rassistische Beleidigungen und den Willen zu verletzen unter Strafe stellt.

In den anderthalb Jahren, die zwischen dieser Äusserung des Waadtländer Generalstaatsanwalts und dem Prozess verstrichen, müssen die Judenorganisationen höchst überzeugende Aufklärungsarbeit geleistet haben, denn im Urteil hiess es nun:8

In Anbetracht der Gefahr, gegen die sich die neue Norm richtet, wäre es tatsächlich unverständlich, liesse man Schriften, die gegen dieses verstossen, insbesondere revisionistische Schriften, ungestraft verteilen.

Jene westeuropäische Staaten, welche abweichende Meinungen zur Zeitgeschichte zum Delikt erklärt haben (Frankreich, Österreich, die BRDDR und die Schweiz) befinden sich nebenbei gesagt in illustrer Gesellschaft: Einer der berüchtigtsten Tyrannen Lateinamerikas, Rafael Trujillo, langjähriger Terrorpotentat der Dominikanischen Republik, erliess weiland ein Gesetz, durch das Geschichtsfälschung unter Strafe gestellt wurde. Was Geschichtsfälschung war, entschied selbstverständlich Trujillo selbst so wie heute in der Schweiz und dreien ihrer Nachbarländer die Judenorganisationen und die als deren verlängerter Arm waltenden Gerichte. In bezug auf die Freiheit von Wissenschaft und Forschung steht die Schweiz also heute auf dem Niveau einer untergegangenen karibischen Folter-Diktatur.

Aufschlussreich waren die Reaktionen unserer Presse auf den Ferraglia-Prozess. Es wäre für die Öffentlichkeit ja schon von Interesse gewesen, dass in der heutigen Schweiz ein Mensch für das Verbrechen, das Buch eines weltbekannten französischen Philosophen verbreitet zu haben, vor Gericht gestellt und verurteilt wurde. Von Interesse wäre zweifellos auch gewesen, dass ein ehemaliger Bundesrat, in diesem Fall der frühere Chef des EMD, Pierre-André Chevallaz, bei einem solchen Prozess als Zeuge der Verteidigung auftrat und von einer Inquisition sprach. Doch hielt es die Neue Zürcher Zeitung nicht für erforderlich, auch nur mit einer einzigen Zeile über das Verfahren zu berichten9, zweifellos nach dem Motto: Wenn wir nichts darüber schreiben, hat dieser peinliche Prozess auch nicht stattgefunden, denn was nicht in der NZZ steht, das gibt es nicht. Die Weltwoche (Nr. 50/1997) wählte einen anderen Weg: Sie verdächtigte Garaudy der Senilität. Wer Israel, den Zionismus und die zionistischen Legenden brandmarkt, kann nach der Logik der Einwelt-Ideologen nur geisteskrank sein; die sowjetischen psychiatrischen Kliniken für Dissidenten lassen grüssen.10 Die vier Monate Gefängnis mit Bewährung nannte die Weltwoche ein mildes Urteil, ohne mit einem Wort auf die 28'000 Fr. zu verweisen, die Ferraglia den Judenorganisationen zu bezahlen hat.

Ja, so wird der mündige Bürger in der freiheitlichen Demokratie von den unabhängigen Medien informiert!

Artikel 19 der allg. Erklärungen der Menschenrechte:

Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit der Meinung und der Meinungsäusserung; dieses Recht umfasst die unbehinderte Meinungsfreiheit und die Freiheit, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut durch Mittel jeder Art sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.11

Vereinte Nationen, 10. Dezember 1948

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte

hat in seinem Handyside-Urteil vom 7.12.1976 betreffend Meinungsäusserung das Nachfolgende festgehalten:

Seine Kontrollfunktionen gebieten dem Gerichtshof, den Grundsätzen, die einer demokratischen Gesellschaft eigen sind, grösste Aufmerksamkeit zu schenken. Das Recht der freien Meinungsäusserung stellt einen der Grundpfeiler einer solchen Gesellschaft dar, eine der Grundvoraussetzungen für ihren Fortschritt und für die Entfaltung eines jeden einzelnen. Vorbehaltlich der Bestimmung des Art. 10 Abs. 2 gilt dieses Recht nicht nur für die günstig aufgenommenen oder als unschädlich oder unwichtig angesehenen Informationen oder Gedanken, sondern auch für die, welche den Staat oder irgendeinen Bevölkerungsteil verletzen, schockieren oder beunruhigen. So wollen es Pluralismus, Toleranz und Aufgeschlossenheit, ohne die es eine demokratische Gesellschaft nicht gibt. Daraus folgt insbesondere, dass jede Formforschrift, Einschränkung oder Strafdrohung in angemessenem Verhältnis zum verfolgten berechtigten Ziel stehen muss.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 7. Dezember 1976

 


Fussnoten

1 Garaudys Buch ist bei La Librairie du Savoir, 5, rue Malebranche, F-75005 Paris, erhältlich. Die dort vertriebene Auflage ist nicht mit der ersten, bei La Vieille Taupe erschienenen identisch, hat Garaudy doch den revisionistischen Ton seines Werks gegenüber der Erstauflage gedämpft.

2 Vor dem Holocaust gab es in Frankreich ca. 350'000 Juden. Heute, nach der Ausrottung des europäischen Judentums, sind es offiziell 700'000, in Wirklichkeit wohl um eine Million.

3 Vgl. dazu: Die islamische Welt sagt der Holocaust-Diktatur entschlossenen Kampf an! Von Pakistan bis Ägypten: Riesige Solidaritätskundgebungen für Garaudy; in National Journal, Box 62, Uckfield/E. Sussex, GB; Internet http://www.abbc.com/nj.

4 Robert Faurisson, Bilan de l'affaire Garaudy/Abbé Pierre, Internet http:/www.flashback.se/-rislam.

5 Urteil des Strafgerichts Vevey vom 8. Dezember 1998, Aktenzeichen PE96.015107-VBA.

6 24 Heures, 2. Mai 1996, zitiert nach dem am 24. Dezember 1997 von Rechtsanwalt Eric Stauffacher eingelegten Rekurs gegen das Ferraglia-Urteil, S. 14.

7 Mit dem Ausdruck Shoa (hebräisches Wort für Katastrophe) wird die von orthodoxen Historikern behauptete Judenausrottung während des 2. Weltkriegs bezeichnet. Er wird synonym für Holocaust gebraucht.

8 S. 51 des Ferraglia-Urteils.

9 Dass die NZZ nichts über den Ferraglia-Prozess berichtet hat, entnehmen wir , Nr. 1/1998 (18. Februar), S. 4.

10 Auch im Urteil gegen Ferraglia wurde die Vermutung ausgedrückt, die Halluzinationen Garaudys seien auf Senilität zurückzuführen (S. 41).

11 Die Schweiz hat durch den Beitritt von 1992 zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (CCPR), dem die allg. Menschenrechte zugrundeliegen, diese Erklärung angenommen.



Zum nächsten Kapitel
Zum vorherigen Kapitel
Zurck zur Heimseite