Der Fall Indlekofer
Ernst Indlekofer
Am 18. September 1997 verurteilte mich das Strafgericht Basel-Stadt zu einer Strafe von drei Monaten Gefngnis bedingt sowie zur Zahlung einer Urteilsgebhr von 3000 Fr. (Natrlich habe ich unverzglich Berufung eingelegt.) Verantwortlich fr das Urteil zeichnete der sozialdemokratische Strafgerichtsprsident Prof. Peter Albrecht, der einen Monat zuvor, in der Basler Zeitung vom 22. August 1997, laut ber Richter nachgedacht hatte, denen es vorschwebe, mit ihrer richterlichen Ttigkeit an der politischen Gestaltung teilnehmen zu mssen und ihre persnliche Vorstellung ber wnschbare gesellschaftliche Verhltnisse in die Urteile einbringen zu mssen. Offenbar hatte Herr Albrecht da sich selbst vor Augen.
Der bis Ende 1997 amtierende Zivilgerichtsprsident Prof. Dr. Fritz Rapp wies ihn darauf in einem Leserbrief in der Basler Zeitung vom 3. September 1997 zurecht, in welchem er dem Herrn Albrecht in Erinnerung rief, dass der Richter an die Gesetze gebunden ist, und seinem Wunsch Ausdruck verlieh, bei den bevorstehenden Richterwahlen mchten doch Kandidaten gewhlt bzw. wiedergewhlt werden, denen die pflichtgemsse Ausbung des richterlichen Ermessens wichtiger ist als die Durchsetzung ihrer 'persnlichen Vorstellungen ber wnschbare gesellschaftliche Verhltnisse. Danke, Herr Rapp; mir persnlich haben Ihre deutlichen Worte freilich nichts gentzt, denn wie bei smtlichen ARG-Prozessen stand das Urteil gegen mich aus politischen Grnden von vorneherein fest.
Genau wie die anderen in dieser Schrift behandelten Prozesse diente das Verfahren gegen mich nmlich zunchst einmal dem Zweck, einen Przedenzfall zu schaffen, auf den man sich knftig berufen kann, um missliebige Meinungen zu unterdrcken. Schon vor einiger Zeit hatte Sigi Feigels fleissigste Schreibkraft, Klara Obermller, in der Weltwoche eine Reihe von Musterprozessen herbeigesehnt, durch welche die praktische Auslegung des ARG prjudiziert werden solle. Ferner war meine Verurteilung zweifellos Ausdruck einer persnlichen Vendetta gegen mich, hatte ich mich als Co-Prsident des Referendumskomitees gegen das Maulkorbgesetz doch bei dessen Urhebern zutiefst verhasst gemacht. Schliesslich sollte mit meiner Person auch die Zeitschrift (herausgegeben von Presseclub Schweiz, Postfach, 4018 Basel) eliminiert werden, die den Machthabern ein Dorn im Auge ist.
Wie im Israelitischen Wochenblatt (Nr. 43/1997) zu lesen war, setzen Sigi Feigel und seine Meute die Untersuchungsbehrden immer wieder unter Druck, damit sie die Verfahren gegen selbstndig denkende Menschen beschleunigen. Laut dem Bund vom 8. Juni 1996 sagte der Strafrechtsprofessor Marcel Niggli, bei Prozessen wegen angeblicher Verletzung des ARG sei der Druck, dass der Richter eine Verurteilung ausspricht, viel grsser als bei anderen Delikten. Niggli hat recht, er verschweigt aber, von wem der Druck kommt.
Dass es in der Schweiz um die Meinungsfreiheit heutzutage bel bestellt ist, merkte ich bereits 1993 whrend des Referendums gegen das Maulkorbgesetz. Als Vorstandsmitglied der SVP Basel-Stadt wurde ich durch Verweigerung einer Eintrittskarte von der gesamtschweizerischen SVP-Delegiertenversammlung ausgeschlossen, weil die Parteifhrung wusste, dass ich mich bei dieser gegen das ARG aussprechen wrde. Ich verfasste darauf ein Flugblatt, in dem ich die Frage aufwarf, ob sich die SVP eigentlich eine Schweiz mit politischen Prozessen und politischen Gefangenen wnsche. Dieses Flugblatt liess ich von Gleichgesinnten vor Beginn der Delegiertenversammlung verteilen, was die Parteioberen in helle Aufregung versetzte: Die SVP-Spitze war offensichtlich nicht bereit, ausdrcklich zu erklren, dass sie sich eine Schweiz ohne politische Prozesse und ohne politische Gefangene wnscht. Weshalb eigentlich nicht?
Nun ging die mediale Lynchjustiz los. In unzhligen Artikeln wurden mir rassistische Aktivitten oder rassistische usserungen unterstellt, ohne dass je eine dieser rassistischen usserungen zitiert worden wre. Dies hatte einen triftigen Grund: Es gab von mir niemals rassistische usserungen und wird auch knftig keine solchen geben.
Als Herausgeber von wusste ich natrlich, dass ich mich an die neue Strafnorm zu halten hatte. Ich vertraute naiv darauf, dass nur das strafbar ist, was das Gesetz verbietet. Diesen Grundsatz treten die Staatsanwlte und Richter bei politischen Prozessen allerdings mit Fssen.
Was wirft man mir nun eigentlich vor? Ich zitiere aus der Anklageschrift (das Urteil wurde mir erst sechs Monate nach dem Prozess, im Mrz 1998 zugestellt).
befasst sich von der Doppelnummer 45/1995 an hauptschlich mit Themen ber die Juden und den Staat Israel, wobei die Beitrge in der Absicht, diese Bevlkerungsgruppe systematisch herabzusetzen, konsequent negativ und abwertend gehalten werden. Da nicht nur einzelne Passagen, sondern vor allem der Inhalt der Artikel in ihrer Gesamtheit rassistisch ist, werden die als rassistisch erscheinenden Ausgaben 45/95, 6/95 sowie 1/96 vollstndig in die Anklageschrift integriert.
In den vorerwhnten Ausgaben wird insbesondere auch die Massenvernichtung der Juden in den Konzentrationslagern grblich verharmlost bis geleugnet. In der Doppelausgabe 45/95 wird mit Bezug auf Photographien, welche nach der Befreiung in Konzentrationslagern erstellt wurden, festgestellt: ... doch eine Photographie mit Leichen beweist weder den Zeitpunkt noch die Art ihres Zutodekommens noch ihre Volkszugehrigkeit.
In der Nr. 6/95 findet sich die Passage, dass Elie Wiesel im angeblich ausschliesslich zur Vernichtung der Juden dienenden KL Auschwitz berlebte [...] und dass dieser Mann nun die Welt bereist und allerorts markerschtternde Holocaust-Geschichten erzhlt.
In einem anderen Artikel der Nr. 6/95 wird von Holocaust-Hysterie gesprochen, mit welcher die Zeugen des Holocaust und die Ttergestndnisse die weltweiten Greueltaten der eigenen Seite verdeckten.
In der Nr. 1/96 ist im Zusammenhang mit dem Fall Grninger von einer behaupteten planmssigen Massenvernichtung der Juden und von Gaskammer- und Umerziehungsgeist die Rede.
Ausserdem wird in einem anderen Artikel der Nr. 1/96 auf einen nordamerikanischen Fernsehsender hingewiesen, welcher revisionistische (richtigstellende) Informationen ber den Auschwitz-Holocaust verbreite und deshalb von den jdischen Kreisen bekmpft werde.
Was Staatsanwalt lic. jur. K. Ritschard in der Anklageschrift anfhrt, ist usserst drftig. Die mir konkret vorgeworfenen Passagen haben auf einer halben Seite Platz; sie widerlegen die Behauptung, ich htte mich strafbar gemacht, denn nichts davon wird von Art. 261bis StGB als strafbar erklrt. Ohne Begrndung behauptet Ritschard, die Nummer 45/95 sei in ihrer Gesamtheit antisemitisch und erscheine rassistisch, weshalb diese Ausgabe gesamthaft angeklagt werde. Somit will Ritschard dem Gericht die Aufgabe aufbrden, selbst herauszufinden, was an dieser Nummer gegen das Gesetz verstsst! Bei der Hauptverhandlung brachte er dann weitere angeblich strafbare usserungen vor, was klar gegen die Verfahrensregeln verstsst; laut diesen mssen nmlich smtliche strafbaren Handlungen in der Anklageschrift aufgelistet werden. Die rhetorische Kr Ritschards war somit nichts anderes als primitive Stimmungsmache gegen mich.
Liest man die inkriminierten Nummern, so entdeckt man, dass die Anklage auf schwachen Fssen steht. Auf den acht Seiten der Ausgabe 45/95 befasst sich beispielsweise lediglich ein (dreispaltiger) Artikel mit Israel und den Juden. Nebenbei ist es nicht verboten, ber Israel und die Juden zu schreiben. Auch kritische usserungen sind erlaubt, solange den Betreffenden die Menschenwrde nicht abgesprochen wird. Dass ich dies getan htte, wirft mir nicht einmal die Anklageschrift vor.
Obwohl ich beim Prozess nur Fragen zu meiner Person beantwortete und ansonsten von meinem Recht zur Aussageverweigerung Gebrauch machte, sog sich der Staatsanwalt die Behauptung aus den Fingern, ich htte eine Beweismitteldiskussion anzuzetteln versucht. Ritschard hatte nicht mit meiner Aussageverweigerung gerechnet und von seinen vorbereiteten Verhandlungsnotizen abgelesen. Dies beweist, dass die ganze Farce Punkt fr Punkt im voraus geplant war.
Wenn in steht, eine Photographie mit Leichen beweise weder den Zeitpunkt noch die Ursache des Todes und sage auch nichts ber die Nationalitt der Opfer aus, so ist das eine reine Banalitt. Was daran rassendiskriminierend sein soll, weiss der Teufel.
Dass Elie Wiesel das KL Auschwitz berlebt hat und nun die Welt bereist, um Holocaust-Geschichten zu erzhlen, ist eine allgemein bekannte Tatsache. Das Adjektiv markerschtternd im Zusammenhang mit Holocaust-Geschichten kann man in guten Treuen als unangemessen empfinden; warum es rassendiskriminierend sein sollte, weiss wiederum nur der Teufel.
Wenn Ritschard die Wendung behauptete planmssige Massenvernichtung der Juden als strafbar einstuft, zeigt dies nur, dass er von der Historikerdebatte ber den Holocaust keine Ahnung hat. Auch jene Gelehrten, welche an die Massenvernichtung der Juden glauben, sind sich nmlich durchaus nicht einig, ob eine planmssige Ausrottung vorlag oder ob das Ganze eher zufllig in Gang kam. Die Anhnger der ersten These nennt man Intentionalisten, jene der zweiten Funktionalisten. Zu letzterer Schule gehrt u.a. Jean-Claude Pressac, dem von den Medien weltweit nachgerhmt wurde, er habe in seinem Buch Die Krematorien von Auschwitz (Piper, Mnchen 1994) die Revisionisten widerlegt. Zum Streit unter den Holocaust-Scholastikern lese man auch den Beitrag des Juden Walter Laqueur in der NZZ vom 3./4. Mai 1997.
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Mit dem von Ritschard unter Punkt 6 monierten Satz wollte ich lediglich darauf hinweisen, dass in Nordamerika Meinungsfreiheit auch fr dissidente Historiker gilt. Inwiefern diese Feststellung gegen das ARG verstossen soll, darber schwieg sich Ritschard aus.
Kurzum: Die in Artikel 1 des Strafgesetzbuchs aufgestellte Bestimmung, dass sich nur strafbar macht, wer eine Tat begeht, die das Gesetz ausdrcklich mit Strafe bedroht, wurde beim Verfahren gegen mich zum Gesptt gemacht. Man kann in das Strafrecht nicht wild irgend etwas hineininterpretieren, sagte sogar Marcel Niggli, ein Feigel-Mann, im Bund vom 8. Juni 1996. Trotzdem wird es gemacht.
In Ermangelung irgendwelcher konkreten Straftatbestnde versuchte Ritschard in seinem fulminant vorgetragenen Pldoyer zu begrnden, dass ich ein Rassist und Antisemit sei und berhaupt eine ble Gesinnung habe. Selbst wenn ich eine ble Gesinnung htte, was ich energisch bestreite, wre dies immer noch kein Straftatbestand. Ritschard verstieg sich zu der haarstrubenden Behauptung, es komme nicht auf einzelne Aussagen an, sondern auf Sinn und Geist der Zeitung, deren Herausgeber ich bin. Anders gesagt: Man brauchte mir gar keine Rechtsverstsse nachzuweisen, um mich zu verurteilen; eine ble, d.h. den Mchtigen unwillkommene Gesinnung gengt! Das ist Totalitarismus in Reinkultur; nur die verhltnismssig milden Urteile unterscheiden die Schweiz heute noch von einer Diktatur klassischen Musters.
Beim Verfahren gegen mich zeigte die Gesinnungsjustiz ihre hssliche Fratze besonders ungeniert. Dass die Meinungsfreiheit ein sehr hoch einzuschtzendes Gut ist, hat der Europische Gerichtshof im sog. Handyside-Urteil vom 7. Dezember 1976 unmissverstndlich festgehalten: Das Recht der freien Meinungsusserung [...] gilt nicht nur fr die gnstig aufgenommenen oder als unschdlich oder unwichtig angesehenen 'Informationen' oder Gedanken, sondern auch fr jene, welche den Staat oder irgendeine Bevlkerungsgruppe verletzen, schockieren oder beunruhigen. Dieser wichtige Grundsatz wird einfach ignoriert. Wenn sich die Meinungsfreiheit nmlich in der Freiheit erschpft, Meinungen zu vertreten, die den Herrschenden genehm sind, dann waren auch die UdSSR Stalins, das China Mao Tse Tungs oder das Albanien Enver Hodschas Hochburgen der Meinungsfreiheit, denn das Hohe Lied auf die Regierenden durfte man dort jederzeit ohne jede Gefhrdung anstimmen.
Der Schweizerische Verband der Journalistinnen und Journalisten, Fribourg, stellt in seiner Erklrung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten in Absatz 1 folgenden Kodex auf: Sie [die Medienschaffenden] halten sich an die Wahrheit ohne Rcksicht auf sich daraus ergebende Folgen und lassen sich vom Recht der ffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren. Diesen Grundsatz habe ich, scheint es, ein wenig gar zu wrtlich genommen.
Nach sechs Monaten erhielt ich das schriftliche Urteil von 34 Seiten, ein jmmerliches Elaborat. Abgesehen von einem ideologischen Vorspann Nigglischer Willkr-Logik enthlt es ein Sammelsurium haltloser, zuweilen sogar aktenwidriger Unterstellungen. Sogar Ironie, ein allseits gepflegtes Stilmittel, wird mir vorgeworfen. Weil ich mich nicht zu Aussagen provozieren liess, musste sich das Gericht vieles aus den Fingern saugen, was nicht in der Anklageschrift stand. Weiter hat es fleissig aus Wahrigs Wrterbuch die Bedeutung von Wrtern wie Klimbim abgeschrieben. Mit seiner hochgestochen tnenden Seminararbeit in Semantik hat das Gericht einen Verstoss gegen die Menschenwrde herbeiphantasiert. Dabei schoss es weit ber das Ziel hinaus, indem es sich auf die angebliche Scheinwissenschaftlichkeit der Revisionisten bezog. Ich habe nie den Anspruch der Wissenschaftlichkeit erhoben, noch irgend etwas geleugnet, was das Gesetz unter Strafe stellt.
Aufgrund der blichen Stereotypen im Urteil muss davon ausgegangen werden, dass ein nationaler Think Tank dem Gericht die ntige Argumentationshilfe angedeihen lsst, um die Gleichschaltung der Justiz im Sinne der Initianten des ARG zu gewhrleisten. Es kann festgestellt werden, dass ihre in der Ideologie des Antirassismus bestens geschulten Juristen (allen voran Prof. Niggli mit seinem Kommentar) das Terrain vorerst komplett besetzt haben. Doch auch dies wird sich ndern.